Aus dem Zentrum der Pandemie

Eine Hamburger Krankenschwester berichtet

Corinna ist Krankenschwester in Hamburg. Aufgrund von Wechselschichten, Krankheiten und Quarantäne führte Astrid Kießling ein Telefoninterview mit ihr.

AK: Corinna, du arbeitest als Krankenschwester in Hamburg und erlebst die Pandemie hautnah. Magst du dich bitte kurz vorstellen und uns einen Einblick in deine Arbeit geben?

C: Ich bin seit 16 Jahren Krankenschwester und arbeite aktuell auf einer Station, die die  Vitalfunktionen von Patienten überprüft und teilweise bin ich auch auf einer Covid-Station. In meinem Bereich ist es im Vergleich zu anderen Jahren in diesem Winter wesentlich ruhiger. Sonst liegen durchaus drei bis vier Menschen auf den Fluren und wir haben ein volles Haus, auch wegen Durchfallerkrankungen und Grippe. Da gab es immer ein Geschacher um die Betten. Nun kommen insgesamt weniger Leute ins Krankenhaus, denn auch die Operationskapazitäten sind heruntergefahren worden. Es ist ein anderes Arbeiten im Haus. Noch vor einem Jahr war die Notaufnahme immer brechend voll, das ist dieses Jahr ganz anders, es ist deutlich weniger los.

AK: Die Regierung hat im März im Rahmen ihrer Pandemie-Erklärung die Begründung gegeben, Menschenleben retten zu wollen. Da hieß es, Gesundheit gehe vor wirtschaftlicher Tätigkeit. Wie ist es für dich, dass Gesundheit jetzt an erster Stelle stehen soll?

C: Rückblickend kann ich nur sagen, dass, wenn die Gesundheit an erster Stelle stünde, dann hätte die Regierung das Gesundheitssystem nicht kaputtgespart, die Privatisierung eingeführt verbunden mit Stellenabbau, sowie Klinikschließungen, und sie hätte auch nicht die unmenschlichen Fallpauschalen eingeführt. Das ist wie Fließbandarbeit in der Medizin und das zeigt ja, dass Gesundheit eben nicht an erster Stelle steht. Und dass jetzt auch noch junge und gesunde Menschen, neuerdings auch Schwangere geimpft werden sollen, ohne die Nebenwirkungen und insbesondere die Langzeitwirkungen ausreichend zu beobachten und abzuschätzen, da sehe ich doch, dass Gesundheit nicht an erster Stelle steht. Dass sich selbst Kollegen, die Covid durchgemacht haben, impfen lassen wollen, kann ich absolut nicht verstehen. Hier zeigt sich die Auswirkung der täglichen Propaganda – und dieses Wort benutze ich sonst eigentlich nicht.

AK: Wie ist die Zusammenarbeit mit den Kollegen, sehen einige das Pandemie-Management kritisch?

C: Bei uns im Krankenhaus gibt es nur zwei Personen, von denen ich weiß, dass sie den Maßnahmen kritisch gegenüberstehen, der Rest ist auf Linie. Aber gut ist, dass wir Kollegen es unseren Patienten ermöglichen, im Patientenzimmer von der Maske abzulassen. Manche trauen sich zwar erst nicht, aber ich kann sie damit beruhigen, dass ich ja eine Maske trage.

AK: Dein Beruf rutschte in diesem Jahr weit nach oben, was die mediale Aufmerksamkeit anbelangt und es wurde für euch von Balkonen geklatscht. Was hat sich konkret in deiner Arbeit verändert im Vergleich zu den Jahren davor?

C: Wie ich schon sagte, bei uns ist es ruhiger als in den Vorjahren, aber was die Corona-Stationen

anbelangt, da ist es sehr anstrengend und aufwendig zu arbeiten. Vor allem mit dem mehrfachen Wechsel der Schutzanzüge und den sonstigen umfangreichen Hygienemaßnahmen. Für unsere Patienten ist es auch ein unglaublicher Stress, zum einen mit ihrer eigentlichen Erkrankung, aber auch mit Pflichttestungen, Isolationsmaßnahmen und der Logistik. Die Stationen gleichen Verschiebebahnhöfen.

Die Kommunikation mit unseren Patienten hat sich verändert. Es gibt so viel zwischenmenschliche Unsicherheit im Kontakt. Es ist schwer, ein vertrauensvolles Gefühl und ein Stück Nähe zu vermitteln. Durch die Maske erkenne ich oftmals nicht, wie es den Patienten geht. Die nonverbale Kommunikation, welche bei vielen Patienten zum Beispiel mit Schlaganfall oder Demenz, außerordentlich wichtig ist, kann von meiner Seite so gut wie gar nicht stattfinden.

AK: Wie bewertest du die staatlichen Corona-Eindämmungsmaßnahmen hinsichtlich der Effizienz? Was ist dir aufgefallen?

C: Natürlich benötigen wir Schutzkonzepte und das kann gerne auch wie im Fall von multiresistenten Keimen (MRSA) wie in Holland verstärkt werden. Doch Schutzmaßnahmen hatten wir auch schon vor dem Pandemiebeginn. Was mich aber vor allem empört ist der Aktionismus, der Tunnelblick auf eine Krankheit und die Unverhältnismäßigkeit im Umgang damit. Vor allem wird der Blick verschlossen vor all den anderen Erkrankungen, die erst durch die Maßnahmen erzeugt werden. So steigt aufgrund von Bewegungsmangel zum Beispiel das Thromboserisiko und die soziale Isolation führt zur Vereinsamung und im schlimmsten Fall zur Depression. 

Am schlimmsten finde ich jedoch, dass andere Menschen per se als Gefahrenquelle angesehen werden und dass das auch unseren Kindern so vermittelt wird. Das ist einfach schrecklich.

AK: Gibt es etwas, was trotz Coronakrise, positiv zu bewerten ist? Was darf nach Corona gerne bleiben?

C: Unser Familienleben hat sich entspannt, weil mein Mann im Homeoffice bei den Kindern ist, wenn ich arbeite. Und wir verbringen mehr Zeit miteinander.

Durch Corona bin ich offener geworden. Früher habe ich mich oft versteckt, aber jetzt zeige ich  Gesicht und zwar mit meiner Protest-Maske. Da sieht wenigstens jeder, dass ich die ablehne. Ich finde es gut, ein Zeichen zu setzen, sodass andere mich erkennen können.

Schon vor Corona war ich politisch interessiert und auch in einer Gewerkschaft, aber als ich von deren Aufruf zur Erstellung von Denunziationslisten erfuhr, bin ich da raus Meine Haltung in dieser Krise hat mich Freunde gekostet und manches lässt sich leider nicht mehr reparieren. Aber das Positive ist, ich habe auch viele tolle neue Menschen kennengelernt, die auch diesen Weg gehen. Daraus ziehe ich Kraft und positive Energie, deshalb gehe ich auch gern auf Demos. Der Grund für diese Demos ist zwar traurig, aber das Zusammenkommen mit all diesen Menschen ist wunderbar.

AK: Vielleicht gibt es ja im Sommer eine Nach-Corona-Zeit – was ist dein dringlichster Wunsch für danach, worauf freust du dich?

C:  Endlich wieder mit meinem Mann auf Konzerte gehen und hoffentlich dann auch auf Festivals. Das ist Lebensfreude pur für mich, das was jetzt alles fehlt.