Interview mit einem Künstler / anonym (Februar 2021)

dieBasis Hamburg, Presse AG, Autorin: Betsy McDowell

Was bist du von Beruf?

Freiberuflicher Musiker und Musiklehrer

Wie hat dein Leben vor März 2020 ausgesehen?

Ich habe in der Woche Musikunterricht gegeben und am Wochenende Auftritte mit Bands gespielt in Hotels, Tanzschulen, Kongresshallen, Theatern, Restaurants, Eventlocations.

Was hat sich seit März 2020 für dich verändert?

Seit März kann ich nur noch Einzelunterricht geben und den teilweise auch nur online. Auch im Sommer ohne Lockdown haben die Beschränkungen zu einem Ausfall von Events und in Folge dessen zu Einnahmeausfall geführt. Ich selbst habe seit März mindestens 50 Prozent meines Einkommens verloren durch die vielen stornierten Auftritte.

Wie geht es deinen Kollegen in der Branche? Gibt es da Leute, denen es noch schlechter geht als dir?

Je besser meine Kollegen als Musiker oder Künstler qualifiziert sind, desto größer sind Ihre Umsatzausfälle. Musiker, die noch unterrichten, haben immerhin noch einige Einnahmen, so dass sie noch kein Hartz IV beantragen müssen. Je länger die Einschränkungen anhalten, desto mehr wird leider auch die Event-Branche in die Insolvenz getrieben, so dass auch in den Folgejahren geringe Umsätze zu erwarten sind.

Die Zahl von 90 Prozent steht im Raum, was die Verluste von Bühnenkünstlern anbelangt. Kannst du dir vorstellen, dass das stimmt?

Es sind nicht nur Bühnenkünstler von den Auftrittsverboten betroffen. Auch Tontechniker, Aufbauhelfer, Caterer, Busunternehmer, Kameraleute, Werbeplaner, PR-Agenturen, Hotels. Die Verluste sind bei jedem anders gelagert, je nachdem, wie das freiberufliche Job-Mix aussieht.

Wie ist das seit dem ersten Lockdown insgesamt mit den finanziellen Hilfen gelaufen?

Bei den soloselbständigen Freiberuflern geht die Sorge um, die wenigen Hilfen teilweise wieder zurückzahlen zu müssen. Viele Freiberufler machen Ihre Steuererklärung ohne Steuerberater und haben daher keinen Schutz vor Antragsfehlern oder Ungenauigkeiten.
Eine Fixkostenorientierung der Hilfen hat dazu geführt, dass viele bedürftige Künstler erst gar keine Anträge gestellt haben und stattdessen ihr Ersparnisse verbraucht haben.
Es gibt auch eine hohe Schamschwelle, Hartz IV zu beantragen. Das hat die Politik wohl ausgenutzt, um eine angemessene Hilfe zu unterlassen.

Die staatlichen Hilfen waren für Freiberufler mit geringen Fixkosten sehr niedrig und gering angesetzt. Das Antragsverfahren ist sehr bürokratisch, teilweise unklar und wurde mehrmals geändert. Immerhin war die direkte Kulturhilfe vom Bundesland besser organisiert als die Hilfen vom Bund.

Gab es Tiefpunkte? Gibt es Lichtblicke?

Tiefpunkte sind Momente, in denen ich Verträge für Engagements unterschreibe und kurz danach diese wegen des Lockdowns wieder  ausfallen. Jedes Mal wird die Hoffnung und Zuversicht wieder zerstört. Zuversicht geben mir treue Schüler, die auch im Lockdown noch ein Interesse am Musizieren haben.

Du wolltest nicht, dass dein Name hier genannt wird. Warum?

Leider haben Politik und öffentliche Medien statt öffentlicher Transparenz ein an Machtpolitik und monetären Interessen orientiertes Gesprächsklima erzeugt.
Kritische Einwände werden sanktioniert, die Meinungsfreiheit ist bereits eingeschränkt, Intoleranz nimmt zu, liberale Tugenden werden selten.

Da möchte ich noch einmal nachhaken. Gibt es weitere, konkretere Gründe, warum Du Deinen Namen nicht nennen möchtest?

Ein Teil meiner Schüler steht hinter den Maßnahmen.
Ich äußere mich zurückhaltend dahingehend, dass ich die Maßnahmen für wenig effektiv und unverhältnismäßig halte. Weil freie Meinungsäußerung bereits sanktioniert wird, möchte ich nicht, dass bekannt wird, wie ich wirklich dazu stehe.