Die Rolle der öffentlich-rechtlichen Sender in der Corona-Krise

Eine ehemalige Journalistin wirft einen Blick auf die derzeitige Situation 

Was hat dein Leben vor März 2020 ausgemacht? Und was hat sich seitdem verändert, zum Beispiel in Bezug auf deinen Tagesablauf oder die Beziehungen zu anderen Menschen?

N.R.: Ich bin nicht hier geboren, sondern habe mir diese Stadt bewusst als Lieblingswohnort ausgesucht, weil mir das urbane Leben gefällt. Ich habe kein Auto und mochte es, mich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln frei bewegen zu können. Ich habe es genossen, mit Freunden zu kochen oder in meinem Lieblingscafé zu sitzen und mich zu unterhalten. Das ist nicht zwingend lebensnotwendig, aber ich vermisse das. Oder auch jenseits der austauschbaren Geschäfte in der City so durch diese kleinen individuellen Lädchen zu bummeln, zu stöbern und sich inspirieren zu lassen, das ist für mich Lebensqualität. Ich habe früher Glückstagebuch geführt und darin habe ich dann immer wieder diese Glücksmomente drin stehen gehabt, aus denen ich viel Energie für den Alltag geschöpft habe. Das fehlt jetzt seit über zwölf Monaten.

Hast du denn Freunde, mit denen du dich austauschen kannst?

N.R.: In meinem inner circle habe ich ganz liebe Menschen, mit denen ich über alles offen reden kann. Da kann ich über meine Ängste, Wünsche und Bedürfnisse reden, da hinterfragen und erörtern wir die jetzige politische Situation. Im weiteren Bekanntenkreis gibt es Menschen, da habe ich das Gefühl, dass die Bereitschaft fehlt, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Da habe ich das Gefühl, ich rede nicht mit einem Menschen, sondern mit einem Klischee, einer Phrasendreschmaschine. Diese Kontakte tun mir gerade nicht gut. Da bin ich derzeit aus Selbstschutz aktiv auf Abstand. Ich gucke jetzt also schon, mit welcher Freundin oder Bekannten es mir gut tut, mich auf einen coffee to go zu treffen.

Du kommst aus dem journalistischen Bereich. Was kannst du uns zum Thema „Framing“ erzählen?

N.R.: Ja, in meiner Ausbildung gab es dazu Seminare. Da wurde darauf hingewiesen, dass man davon absehen solle, Dinge so zu sagen und doch eher anders zu sagen. Ein Beispiel: Es wurde gesagt, wir sollten nicht mehr sagen, dass jemand an den Rollstuhl gefesselt sei. Man solle lieber sagen, dass jemand im Rollstuhl sitzt. An der Stelle macht das ja noch Sinn, aber das hat sich dann irgendwann verselbständigt, beziehungsweise wurde pervertiert. Da gab es dann auf einmal diese überbordende Sensibilität in Bezug auf Sprache. Dann sollte die Herkunft von Straftätern verschwiegen werden mit der Begründung, dass es islamophobe Tendenzen auslösen würde. Bestimmte Informationen wurden zurückgehalten, weil sie der Gegenseite – den „Schwurblern“ – in die Hände spielen könnten. Da war plötzlich diese Zensur, um vermeintlich Andersdenkenden keine Bestätigung zu liefern. Das fing 2015, 2016 schon an. Die ganze Maskenthematik mit Anilin und Vergiftungen wurde ja auch extrem klein gehalten, das hätte ja auch wieder den „Querdenkern“ in die Hände gespielt. Das, finde ich, ist eine ganz gefährliche Entwicklung im Journalismus, dass man diesen inneren Zensor hat: „Was macht die andere Gruppe draus?“ Das sehe ich sehr kritisch, muss ich sagen. Da fließt dann langsam Propaganda in Journalistik ein.

Würdest du sagen, dass es Tendenzen gibt, Informationen wegzulassen oder zu minimieren, etwa zum Zweck der Manipulation bzw. Desorientierung?

N.R.: Es gibt immer eine subjektive Berichterstattung, einfach durch unsere Sozialisation. Das wird einem schon im ersten Semester Journalistik beigebracht, aber so kannte ich das nicht – ich bin westdeutsch sozialisiert – dass regelrecht Informationen weggelassen oder Nachrichten nicht gesendet werden, weil es einer bestimmten Gruppe, die ja auch nicht homogen ist, in die Hände spielen könnte. Es gab zum Beispiel eine ZDF Sondersendung im Dezember 2020. Da wurde Ugur Sahin von Biontech gefragt, ob er seine Mitarbeiter impfen lassen wird, und seine Antwort war, dass die so viel arbeiten müssen und nicht ausfallen dürfen und daher nicht geimpft werden. Man sah die Irritation auf dem Gesicht des Moderators, aber er ist nicht weiter drauf eingegangen. Normalerweise wäre  die Frage darauf gewesen: „Wie meinen Sie das? Warum meinen Sie, dass es Ausfälle gibt?“ Das wäre die Arbeit des Journalisten gewesen, aber man sah nur die Irritation, und dann ist er zur nächsten Frage übergegangen. Später wollte ich mir diesen Beitrag in der Mediathek noch einmal ansehen, auch um den an Freunde zu schicken, und dann war der Teil rausgeschnitten. Daran merkt man, es ist ein Bewusstsein da. Früher ging es darum, sich eine Meinung zu bilden, heute geht es darum, die Meinung zu lenken.

Du sagst, dass es darum geht, bestimmten Gruppen nicht „in die Hände“ zu spielen. Welche Gruppen sind damit gemeint?

N.R.: Die „Querdenker“, Die „Schwurbler“! Ich finde, mit solchen Zuordnungen werden Kritiker entmenschlicht. Die Medien stellen das so dar, als ob das eine homogene und gefährliche Masse ist. Das finde ich schlimm, weil es nicht der Realität entspricht. Es sind verschiedene Individuen, die einen gemeinsamen Nenner haben. Sie möchten in Frieden und Freiheit leben können. Aber sie werden als eine Gefahr dargestellt, die sie nicht sind, definitiv nicht in der Ausprägung. Vielleicht der eine oder andere, aber nicht alle.

Seit den Corona-Maßnahmen steht das Virus im Vordergrund, und dahinter stehen ja noch viele andere Dinge. Wie schätzt du hier die Berichterstattung ein?

N.R.: Wo ich sehr irritiert bin ist: Wenn bei der Tagesschau von „flüssigem Gold“ die Rede ist, wenn es um den Impfstoff geht. Das hat überhaupt nichts mehr mit Neutralität zu tun, zu der die öffentlich-rechtlichen Sender verpflichtet sind, sondern das ist eine poetische Überhöhung eines Medikaments, über das man nicht viel weiß. Das ist für mich etwas, das juristisch begleitet  und kommunikationspolitisch thematisiert werden sollte. Ich habe schon öfter gedacht, dass es eine neutrale Jury geben müsste. Das hat natürlich etwas von Zensur, aber was in den letzten zwölf Monaten mit der öffentlich-rechtlichen Kommunikation gelaufen ist, so möchte ich das nicht weiterlaufen lassen, weil es ganz klar in die falsche Richtung geht. So werden die Corona-Toten komplett überhöht. Das sind natürlich traurige, persönliche Schicksale, aber dass Frau Karliczek, Bundesministerin für Bildung und Forschung, sich mit einer dicken weißen Kerze aus dem Fenster blickend schräg von hinten ablichten lässt und postet, dass sie jetzt den Corona-Toten gedenkt, das ist spooky. Und der Selbstmörder oder Krebstoten hat sie nicht gedacht. Extrem finde ich auch, wie gerade inflationär Bundesverdienstkreuze vergeben werden. Das erinnert mich total an die DDR. Auch das Wort „Held“ wird inflationär gebraucht. Jeder ist ein Held, auch wenn er auf dem Sofa sitzt. Oder wenn Polizisten Kinder überprüfen, ob sie Abstand halten, frage ich mich, ob das juristisch überhaupt in Ordnung ist? Die Kinder sind ja teilweise unter 14 Jahre alt. Verhältnismäßigkeit ist weder medial noch gesellschaftlich vorhanden. Das ist mein Eindruck.

Hast du denn den Eindruck, dass Ostdeutsche das alles anders wahrnehmen als Westdeutsche?

N.R.: Teil, teils. Ganz viele Ostdeutsche sind sensibler und spüren, dass das was nicht stimmt, für andere ist dieser Duktus vertraut und gewöhnt und die, die nicht so reflektieren, fallen dann wieder zurück in diese Rollen, so als ob es die letzten 30 Jahre nicht gegeben hätte. Ganz merkwürdig.

Wenn man sich die Rolle der Politik und der Medien anschaut, was denkst du, wer da wen vor sich hertreibt?

N.R.: Ich glaube, da gibt es nicht die eine Richtung. Die Medien gieren nach Clickbites und wollen immer die Ersten sein, die etwas zu verkünden haben. Die Runde im Kanzleramt, die aus der Kanzlerin und ausgewählten Medienvertretern besteht, trifft sich immer mittwochs und spätestens am Montag davor meldet dann die Tagesschau, was vermutlich in dieser Mittwochsrunde rauskommen wird, so nach dem Motto: wir wollen schon mal zeigen, wohin die Reise geht. Es ist ja auch psychologisch-wissenschaftlich erwiesen, dass – wenn Informationen schon vorhanden sind – der Rezipient dann schon dran gewöhnt ist. Und wenn es dann am Mittwoch beschlossen wird, dann ist es schon nicht mehr ganz so schlimm, dann ist es schon zwei Tage gelernt, beziehungsweise der Rezipient hat das Gefühl, dass er als Empfänger eines bestimmten Senders einen Informationsvorsprung hat, und dadurch wird die Kundenbindung noch verstärkt. Was die Medien anbelangt, hat zum Beispiel ‚Die Zeit‘ total von der Corona-Krise profitiert, und auch die öffentlich-rechtlichen Sender hatten in den letzten zwölf Monaten durch die Krise höhere Einschaltquoten. Die öffentlich-rechtlichen Sender arbeiten jetzt auch schon ein bisschen so wie die Privatsender nach den Prinzip: Ist es denn jetzt wohl schon hart genug? Viele von den Redakteuren sind in der Zero-Covid-Gruppe, die den kompletten Shut-Down wollen und fordern, dass gar nichts mehr geöffnet hat. Die letzten Tage ist es ein wenig ruhiger geworden, aber man hat regelrecht das Gefühl, dass die Sender auf so eine Spitze zulaufen wollen, um Sensationen zu bieten, um den Thrill zu erhöhen.

Es gibt sicherlich auch Journalisten, die das so ähnlich sehen wie du, aber letztendlich müssen alle ihre Rechnungen bezahlen. Wie sieht denn da die Situation aus? 

N.R.: Ich weiß auf jeden Fall, dass viele gerade nach Plan B gucken. Einige sind von Sendern zu Behörden gewechselt, teilweise versuchen sie auch, sich selbständig zu machen. Es gibt definitiv die, die sehr unzufrieden sind mit der Situation der letzten Monate. Aber es gibt auch viele, die in der Tat ihre Miete zahlen müssen und keinen Plan B haben.

Welche Lösungs- oder Änderungsmöglichkeiten siehst du denn?

N.R.: Alle möglichen Wissenschaftler sagen unisono, dass eine Maske im Freien nichts bringt. Da würde ich mir wünschen, dass von den Ärzten für Aufklärung oder von juristischer Seite her deutlich gesagt, wird, dass eine Maske im Freien Blödsinn ist. Die Maskenpflicht im Freien muss komplett fallen. Es darf auch nicht sein, dass Kinder, die im Wachstum sind, gezwungen werden, Masken zu tragen. Wenn es Familien oder Kinder gibt, die sich mit den Masken besser fühlen, dann können sie die tragen. Aber niemand – nicht die Schulbehörde, nicht Frau Karliczek, keine Schulleitung, keine Klassenleitung und nicht einmal die Eltern – dürfen ein Kind, dessen Organe noch im Wachstum sind, zwingen, eine Maske zu tragen. Die Kinder tragen die Masken – jetzt ja die medizinischen – teilweise acht Stunden. Es müsste untersucht werden, welche Inhaltsstoffe diese Masken enthalten, es müsste Langzeittests geben, die aufzeigen, was diese Stoffe im Atem- und Rachensystem verursachen. Ich muss die Maske zum Glück nicht täglich acht oder zehn Stunden tragen, aber ich merke, wenn ich auf Fahrten eine trage, dass ich Husten und Würgereize kriege. Es darf da einfach keinen Zwang geben, weder was die Maske noch was die Impfung angeht. Es gibt ein Lebensrisiko, jeder trägt das selbst. Und jeder ist für seine Gesundheit und die Gesundheit seiner Familie selbst verantwortlich. Ich kaufe Bioprodukte ein, ich bestelle beim Bauern, ich gucke, dass wir genügend Bewegung und frische Luft haben, und deswegen muss es auch jedem Bürger freigestellt sein, ob er die Maske tragen oder sich impfen lassen möchte.

Es darf auch keine Diskussion über die Grundrechte geben. Es ist auch sehr verlogen zu sagen, dass ein geimpfter Mensch ein gesunder Mensch ist. Jemand, der raucht und sich dann impfen lässt, ist definitiv nicht gesünder als derjenige, der sich gesund ernährt und sich nicht impfen lässt. Ich hoffe einfach, dass von juristischer und medizinischer Seite noch mehr Gegenwind kommt, dass da noch mehr Vernetzung stattfindet

Und ich würde mir auch wünschen, dass die Journalisten aus dieser Clickbite-Gier aufwachen. Der Journalistenverband hat zum Beispiel Anfang des Jahres gefordert, mal wieder über etwas Anderes zu berichten als immer nur über Corona. Das würde ich mir wünschen, dass wieder mehr andere Themen einziehen.

Ich würde mir auch wünschen, dass die Leute aus ihren Angstspiralen rauskommen. Ich habe das auch hier in der Stadt erlebt, da hat eine Frau ganz hysterisch an eine Scheibe getrommelt, weil sie einen Mann ohne Maske gesehen hatte. Und sie wollte, dass die Polizei gerufen wird. Wenn die Zwänge fallen, würde sich auch die Gesamtsituation beruhigen , denke ich. Dann würden die Menschen auch wieder entspannter werden. Ich glaube, dass durch diese Ängste, die bewusst geschürt werden, die Leute nicht aus der Spirale herauskommen. Da gibt es ja auch das in-group und out-group Phänomen. In Zeiten von Todesangst neigt man dazu, seine eigene Gruppe zu erhöhen und die andere Gruppe zu erniedrigen und zu entmenschlichen, und dieses Phänomen erlebt man gerade ganz extrem medial, gesellschaftlich und politisch. Es ist offenichtlich, dass es diese verstärkte  Gruppenbildung gibt, und das halte ich für bedenklich.

Die einen haben Angst um ihre Freiheit, und die anderen haben Angst um ihre Gesundheit. Da kann man vielleicht gucken, wo die Ängste herkommen. Die Gruppen reiben sich gegenseitig gerade auf, und diese Gruppenbildung sollte medial nicht geschürt werden. Viel eher sollte das Verständnis geweckt werden, um zu gucken, wie kann man das ändern. Ich hatte mal den Gedanken, dass man in den Schulen eine Umfrage machen könnte, um zu schauen, welche Kinder eine Maske tragen wollen und welche nicht, und dann könnte man die Klassen entsprechend einteilen. Es gibt sicher auch Lehrer, die unter den Masken kaum Luft bekommen und andere, die sie für notwendig erachten. Man sollte jedem die Freiheit lassen, seine Gesundheit so zu schützen, wie er es für richtig hält.

Vielen Dank für das Gespräch!