Die Steuerhoheit ist Teil der Machtausübung der öffentlichen Gewalt. Sie ist eine der wesentlichen Maßnahmen der öffentlichen Hand, ihren Finanzbedarf zu decken. Sie stellte historisch aber schon immer auch ein Instrument der Machtausübung einer politischen Einheit gegenüber ihren Bürgern dar. Damit darf man bei Anstreben einer basisdemokratischen Ausrichtung einer Gesellschaft die Finanzpolitik nicht ausklammern. Es stellt sich die Frage, ob Gemeindesteuern einer Basisdemokratie besser dienen als zentral verwaltete Steuern. Diese Artikelserie soll keine endgültige politische Aussage treffen, sondern nur eine Diskussion zu dieser Frage eröffnen. Um eine Diskussion zu ermöglichen, scheint es sinnvoll, die wesentlichen Grundlagen darzustellen.
Gemeindesteuern in Deutschland
In Deutschland als föderalem Staat liegt die Steuerhoheit beim Bund, den Ländern und den Gemeinden. Dabei geht es nicht nur um die Erhebung und Verteilung der Steuereinnahmen, sondern auch um die Kompetenzverteilung zwischen Bund. Ländern und Gemeinden, der Verwaltungshoheit, der Gesetzgebung und der Finanzgerichtsbarkeit.
Grundsätzlich gibt es in Deutschland vier Arten von Steuern, nämlich Bundes-, Landes- und Gemeindesteuern sowie Gemeinschaftssteuern. Gemeinschafssteuern sind die wesentlichen Steuern wie Lohn-, Einkommen-, Körperschaft- und Umsatzsteuer. Diese werden grundsätzlich zwischen Bund und Ländern aufgeteilt. Diese machten 2021 rund 75% der gesamten Steuereinnahmen in Deutschland aus. Die Gemeindesteuer nehmen sich dabei eher bescheiden aus, nämlich die Gewerbesteuer mit 7.3% und die Grundsteuer mit 1,7%. Allerdings stehen den Gemeinden auch Anteile an der Einkommen- und Umsatzsteuer zu. Auf die Gesetzgebung zu diesen Steuern haben die Gemeinden aber keinen Einfluss. Andere Gemeindesteuern wie beispielsweise die Hundesteuer spielen einnahmetechnisch keine Rolle. Darüber hinaus stehen Bund und Ländern jeweils 14% der Gewerbesteuer zu.
Neben der Steueraufteilung spielen aber eine mindestens genauso große Rolle die Gesetzgebungshoheit und die Verwaltung der Steuern. Dies werde später kurz anhand der Gewerbesteuer dargestellt.
Blick ins Ausland
In Österreich spielen Gemeindesteuern, nämlich die Kommunal- und die Grundsteuer eine relativ geringe Rolle. Die wesentliche Einnahmequelle der Kommunen ergibt sich aus einer erheblichen Beteiligung an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben. Damit scheint der Zentralisierungsgrad in Österreich stärker als in Deutschland.
In der Schweiz gibt es direkte Bundessteuern sowie Kantons- Gemeindesteuern. Dabei erheben Gemeinden vorrangig eine eigene Einkommen-, Vermögens- und Liegenschaftssteuer. Den Gemeinden steht dabei ein erheblicher Gestaltungsspielraum zu. Die Mehrwertsteuer steht Bund und Kantonen zu.
In den USA gibt es eine föderale Einkommen- und Körperschaftsteuer (Federal Income Tax), die von der zentralen Steuerverwaltung (Internal Revenue Service) verwaltet wird. Daneben gibt Bundesstaaten- und Gemeindeeinkommensteuern, wobei es Staaten und Gemeinden freisteht, ob und in welcher Höhe sie diese Steuer erheben wollen. Eine Umsatzsteuer im europäischen Sinn gibt es nicht, daneben aber Sales- und Use Taxes, die vollkommen uneinheitlich strukturiert sind. Diese werden, wenn überhaupt, von den Bundesstaaten, Städten und Gemeinden erhoben. Schätzungen besagen, dass es rund 40.000 steuererhebende öffentliche Körperschaften gibt.
Die Historie der Gewerbesteuer
Die Gewerbesteuer ist die wesentliche Gemeindesteuer. Erstmals wurde 1891 eine Gewerbesteuer in Preußen eingeführt. Eine landesweit geltende Gewerbesteuer gibt es seit 1936. Im Gegensatz zur Einkommensteuer knüpft die Gewerbesteuer nicht an die Verhältnisse der steuerpflichtigen Person – sei sie eine natürliche oder juristische – an, sondern an den in Deutschland liegenden Gewerbebetrieb. Dies lässt sich aus der Historie der Steuer erklären. Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts standen die Gemeinden mit der sich schnell entwickelnden Industrie vor erheblichen Herausforderungen hinsichtlich der öffentlichen Infra- und Sozialstruktur. Gerade in Hamburg ist dies bis heute deutlich sichtbar. Kleine Bäche, die zur Alster führen, wurden auf Kilometer ausgebaggert, um eine Industrieansiedelung mit entsprechenden Transportmöglichkeiten zu schaffen. Paradebeispiel hierfür ist der Osterbekkanal, an denen sich Jahrzehnte lang die Schwerindustrie tummelte. Heute ist davon nur noch die Kulturfabrik „Kampnagel“, eine ehemalige Maschinenfabrik, zu sehen.
Die Gewerbesteuer im gesetzlichen Kontext
In Artikel 106 GG wird eindeutig geregelt, dass das Gewerbe- und auch die Grundsteuer den Gemeinden zusteht. Damit geht aber nicht einher, dass die Gemeinden einen Einfluss auf die Gestaltung der gesetzlichen Grundlagen haben. Die Gesetzgebungskompetenz liegt für die Gewerbesteuer, wie übrigens auch für die Grundsteuer, aufgrund Artikel 105 Absatz 2 GG beim Bund. Eine Beteiligung der Gemeinden am Gesetzgebungsprozess ist nicht vorgesehen. Immerhin können die Gemeinden durch Festlegung des Hebesatzes die Höhe der Gewerbesteuer in ihrem Bereich beeinflussen.
Verwaltungstechnisch gestaltet sich das Verfahren komplexer. Die Besteuerungsgrundlagen werden in einem Gewerbesteuermessbescheid ermittelt. Sofern der Gewerbetreibende in mehreren Gemeinden Niederlassungen hat, erfolgt eine Aufteilung der Messbeträge. Diese Aufteilung erfolgt in einem Zerlegungsbescheid. Erst danach erfolgt die Festsetzung der Steuer in einem Gewerbesteuerbescheid. Dieses rechtlich komplizierte Verfahren ist den Besonderheiten der Gewerbesteuer als Gemeindesteuer geschuldet. Für die Gewerbesteuermess- und -zerlegungsbescheide sind jeweiligen Betriebsstättenfinanzämter zuständig, während die Gemeinden die Gewerbesteuerbescheide erlassen. Da die Finanzämter Teil der Landesverwaltungen sind, haben die Gemeinden in der Praxis keine Teilhabe am Verwaltungsprozess, außer eben der Festlegung des Hebesatzes. Das spiegelt sich auch im Rahmen der Betriebsprüfungen wider. Diese werden auch in Bezug auf die Gewerbesteuer von den Finanzämtern durchgeführt, obwohl grundsätzlich verfassungsrechtlich eine Beteiligung der Gemeinden möglich wäre.
Da Finanzbeamte verpflichtet sind, den Schreiben des Bundesfinanzministeriums zu folgen, ergibt sich insoweit auch in Bezug auf die Gewerbesteuer ein erheblicher inhaltlicher Einfluss einer Bundesbehörde auf die Verwaltung der Gewerbesteuer.
Kritik aus der Steuerwelt
Es gibt seit Jahren Diskussionen, die Gewerbesteuer abzuschaffen und stattdessen die Körperschaft- und Einkommensteuer entsprechend zu erhöhen. Das würde sicherlich zu einer administrativen Vereinfachung führen. Gleichzeitig müssten dann den Gemeinden aber an den Gemeinschaftssteuern beteiligt werden und dies würde zwangsweise zu einer weiteren Zentralisierung in deutschen Steuerwesen führen.
Ein weiterer Diskussionspunkt ist, weshalb nur Gewerbetreibende und nicht Freiberufler und Land- und Forstwirte gewerbesteuerpflichtig sind. Das Argument für die Ausnahme von selbständig Tätigen ist, dass die freien Berufe typischerweise Besonderheiten in Bezug auf Ausbildung und Zulassung, Stellung im Sozialgefüge, Art und Weise der Leistungserbringung und Einsatz von Produktionsmitteln unterliegen. Gerade der letzte Punkt scheint nicht mehr stichhaltig, weil sich die gewerbliche Tätigkeit immer mehr in den Dienstleistungs- und digitalen Bereich verlagert.
Fragestellungen aus basisdemokratischer Sicht
Der nachfolgende Fragenkatalog erhebt weder den Anspruch auf Vollständigkeit noch gedanklicher Systematisierung noch spiegelt er eine offizielle Parteilinie wider. Es handelt sich nur um die Gedanken des Verfassers und den Versuch, einen Diskussionsbeitrag zu liefern.
- Welche Rolle sollen Gemeindesteuern in Deutschland im demokratischen Prozess spielen?
- Sollen die gestehenden Gemeindesteuern weiterhin bestehen bleiben oder sollen sie zugunsten anderer Bundessteuern aufgegeben werden?
- Wenn Gemeindesteuern bestehen bleiben sollen, welche Änderungen in Bezug auf Gesetzgebungsverfahren und Verwaltung sind notwendig?
- Sollen neue Gemeindesteuern zulasten des Steueraufkommens der Bundes- und Landessteuern eingeführt werden?
- Welche negativen Folgen kann ein Ausbau der Kompetenzen der Gemeinden im Gesetzgebungs- und Verwaltungsverfahren haben (z.B. Zersplitterung der Rechtsordnung, verschärfter Steuerwettbewerb zwischen den Gemeinden, höherer Administrationsaufwand)?
- Sollen Bürger über Investitionsentscheidungen einer Gemeinde wesentlicher Art im Rahmen von Bürgerentscheiden bestimmen können?
- Sollen diese Bürgerentscheide auch beinhalten, dass über die Finanzierung beispielsweise in Form einer zeitlich begrenzten Sonderabgabe abgestimmt wird?
- Wie kann man Bürger insgesamt enger am Gesetzgebungsverfahren auf Bundes- und Landesebene beteiligen?
- Sollen gewisse Steuern, insbesondere Sondersteuern, hinsichtlich ihrer Verwendung zweckgebunden werden?
Autor: Peter Scheller
Danke, Peter, für den interessanten Beitrag und den Vergleich mit anderen Steuersystemen. Wir brauchen also auch das Steuerrad nicht neu erfinden, sondern können vergleichen und ggf. das Bestehende verbessern. Basisdemokratie bietet uns Bürgern so viele Möglichkeiten, möge es bis zu den anstehenden Neu-Wahlen den Menschen ins Bewusstsein dringen und viele Menschen, bis hin zum überzeugten Nichtwähler dazu bringen der dieBasis eine hörbare Stimme zu geben. Und hinterher aber bitte auch mitbestimmen und aktiv beteiligen 😁
Ich denke, dass ein Steuerkonzept, dass die Gemeinden stärkt für die Etablierung subsidiärer Strukturen und mehr Entscheidungshoheit am Herzen und am Puls der Menschen von Vorteil ist. In unser dieBasis leben wir dieses Konzept seit Gründung. Die Mitgliedsbeiträge werden in den regionalen Gliederungen gezahlt, 30 % gehen an das Land, 30 % an den Bund. Das stärkt die regionalen Gliederungen und begrenzt die (finanzielle) Macht im Land und im Bund.