Die direkte Demokratie in der Schweiz

Das Schweizer Modell der direkten Demokratie wird hier vorgestellt, um einen Vergleich mit dem Konzept der „Volksdemokratie“ in Hamburg zu ermöglichen. In einem Folgeartikel werden die beiden Systeme verglichen, um die Frage zu klären, ob die Volksdemokratie in Hamburg den Namen überhaupt verdient.

Die Schweiz hat eine lange Tradition, ihre Bürger direkt an politischen Entscheidungen zu beteiligen.Als Kern der direkten Demokratie kennt die Schweiz die Instrumente Initiative und Referendum. Die Möglichkeit der Bürgerentscheide besteht auf allen politischen Ebenen; also dem Bund, den Kantonen und den Kommunen. Alle Schweizer Bürger ab 18 Jahren besitzen neben dem Wahlrecht auch das Recht, über Sachfragen abzustimmen.

Das Schweizer Volk stimmt bis zu vier Mal im Jahr über bis zu fünfzehn Sachfragen in Volksabstimmungen ab. Es gibt drei verschiedene Möglichkeiten, wie es zu Volksabstimmungen kommen kann. Zwei davon müssen von Bürgerinitiativen initiiert werden, ein Referendum ist zwingend.

Volksinitiative

In einer Volksinitiative können Bürger Vorschläge zur Änderung oder Erweiterung der Verfassung einreichen. Eine Volksinitiative ist gültig und wird zur Abstimmung gebracht, wenn innerhalb von 18 Monaten 100.000 Unterschriften gesammelt werden. Regierung oder Behörden können einer Volksinitiative einen Gegenvorschlag gegenüberstellen. Die Volksinitiative ist angenommen, wenn die Mehrheit der Wahlberechtigten und der Stände zustimmen. Stände sind die Kantone der Schweiz, vertreten durch den Ständerat. Dieser ist eine Kammer des Schweizer Parlaments, ähnlich dem Bundesrat in Deutschland als Vertretung der Bundesländer. Die Voraussetzung des „Ständemehrs“ soll verhindern, dass die Interessen der bevölkerungsärmeren Kantone übergangen werden. So kann es sein, dass eine Mehrheit der Bevölkerung für eine Volksinitiative ist, diese dann aber dennoch scheitert, weil die Mehrheit der bevölkerungsärmeren, in der Regel ländlichen Kantone, dagegen ist.

Fakultatives Referendum

Bundesgesetze und andere Erlasse der Bundesversammlung, sprich des Schweizer Parlaments, unterstehen dem fakultativen Referendum. So können die Bürgerinnen und Bürger verlangen, dass das verabschiedete Gesetz dem Volk zur Abstimmung vorgelegt wird. Innerhalb von 100 Tagen nach Veröffentlichung des Gesetzestextes müssen 50.000 Unterschriften gesammelt werden, damit es zur Volksabstimmung kommt. Eine Zustimmung der Stände ist in diesem Fall nicht erforderlich.

Obligatorisches Referendum

Jede Änderung an der Verfassung durch das Parlament zieht zwingend ein obligatorisches Referendum nach sich. Jede Verfassungsänderung muss dem Volk zur Abstimmung vorgelegt werden. Auch der Beitritt der Schweiz zu gewissen internationalen Organisationen untersteht dem obligatorischen Referendum. Ein Beispiel ist das Referendum über den Beitritt der Schweiz zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), das von 50,3% der Abstimmenden abgelehnt wurde.

Die Beteiligung der Schweizer an Volksabstimmungen beträgt rund 45%. Diese relativ geringe Wahlbeteiligung muss aber relativiert werden. Die Bürger werden im Jahr vier Mal oder auch öfter an die Wahlurne gerufen. Damit stimmen viele Bürger nur selektiv – je nach Interessenlage oder Betroffenheit – bei Themen ab. Eine Untersuchung der Universität Genf zeigt, dass 90% der Stimmberechtigten im Zeitraum von vier Jahren mindestens einmal an einem Abstimmungstermin teilnehmen, 80% mindestens einmal pro Jahr, und ein Drittel beteiligt sich an allen lokalen, regionalen und nationalen Abstimmungen.

Jeder Stimmberechtigte erhält das sogenannte Abstimmungsbüchlein in der Regel etwa 3 bis 4 Wochen vor dem Abstimmungstermin. In diesem können der Bundesrat – also die Regierung – und das Parlament bzw. die Initiativen ihre Argumente ausführlich darlegen. Ferner werden auf einer offiziellen Website des Bundes (www.admin.ch) ausführliche Informationen zu den anstehenden Volksabstimmungen bereitgestellt.

Eine Stimmabgabe ist durch den Gang zur Wahlurne und durch Briefwahl möglich. In der Testphase befinden sich in einigen Kantonen Versuche, die Stimmabgabe online (evoting) durchzuführen.

Das Ergebnis von Volksabstimmungen bindet rechtlich die Regierung.

Das in Deutschland häufig zu hörende Argument, dass das „gemeine Wahlvolk“ nicht über komplexe politische Fragen vernünftig abstimmen kann, scheint in der Schweiz keine Bedeutung zu haben. Das zeigt sich allein darin, dass die direkte Demokratie vom Bundesrat, sprich der Schweizer Bundesregierung, auf einer https://www.eda.admin.ch/aboutswitzerland/de/home/politik-geschichte/politisches-system/direkte-demokratie.html erklärt wird

Der Slogan der offiziellen Seite heißt:

Wir haben das letzte Wort

Offensichtlich besteht in der Schweiz nicht die Befürchtung, das Land könnte durch eine unwissende und ignorante Bevölkerung ins Unglück gestürzt werden. Dies ist trotz einer Beteiligung der Bevölkerung am politischen Prozess auch nicht geschehen. Die Schweiz ist eines der politisch stabilsten und gleichzeitig wohlhabendsten Länder der Erde.

Autor: Peter Scheller

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