Der Hilferuf erreichte uns am Donnerstagabend, kurz nach dem verheerenden Hochwasser. Mark Schneider, Direktkandidat der Basis in Rheinland-Pfalz, hatte eine Meldung über Telegram an die Landesverbände geschickt.
Die sogenannten Street Medics hatten bereits ihre Arbeit aufgenommen und sich dafür in der zum Versorgungszentrum umfunktionierten Aloisius-Grundschule eingerichtet. Während eines Telefonat erfuhren wir, dass neben Verbandsmaterial auch Medikamente dringend gebraucht wurden und zudem jede helfende Hand, um den Anwohnern der betroffenen Gebiete bei der Beseitigung von Schlamm und Wasser zu helfen.
Wir klapperten also zunächst die Apotheken bei uns in Tonndorf ab, um nach Spenden für die Flutopfer zu fragen. Erfolgreich waren wir, nachdem wir einige Absagen bekommen hatten, schließlich in der Herz-Apotheke im Tondo Sich der Situation bewusst, stellte man uns dort dankenswerter Weise ein großes Paket an medizinischen Hilfsgütern zusammen. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön dafür an Chris Böllert, PTA der Herz-Apotheke.
Mit diesem Paket und einem etwas mulmigen Gefühl fuhren wir dann am Dienstag früh in das Katastrophengebiet. Was uns genau erwartete, war uns nicht klar, dazu hatte es zu viele widersprüchliche Meldungen gegeben. Aber eine gewisse Vorstellung, was das Maß der Verwüstungen anbelangte, hatten wir natürlich schon, allein aufgrund der Bilder, die die Medien veröffentlichten.
Aber es hatte dann doch eine ganz andere Dimension, als wir direkt vor dem Schutt und den Schlammbergen standen, die in sich verkeilten Fahrzeuge sahen und den üblen Geruch des langsam in der Sonne abtrocknenden Schlammes in die Nase bekamen.
Deutlich spürbar war die große Hilfsbereitschaft der Menschen vor Ort, die zum Großteil aus ganz Deutschland angereist waren. Einige wenige Platzhirsche mussten eingefangen werden, damit wir uns alle ganz der humanitären Hilfe widmen konnten. Und letztendlich konzentrierten sich dann doch alle auf die anstehenden Arbeiten.
Wie wichtig die Hilfe war, zeigte sich auch umgehend, als mehrere Helfergruppen in die umliegenden Häuser ausrückten, um dort die inzwischen von der Bundeswehr und Feuerwehr weitgehend vom Wasser leergepumpten Kellerräume vom Schlamm zu befreien. Mit Eimern und Schaufeln beförderten wir die Massen an Schlamm ans Tageslicht und bargen den in den Kellern untergebrachten Hausrat. Brauchbar war davon nahezu nichts mehr. Sämtliche Elektrogeräte, Gartengeräte und sonstiger Hausrat, der üblicherweise im Keller aufbewahrt wird, waren reif für den Müll.
In dieser Situation entstanden sehr emotionale Gespräche mit den Bewohnern, die meist unter Tränen von dieser verheerenden Nacht von Mittwoch auf Donnerstag berichteten.
An dieser Stelle möchte unser kleines Hamburger Basis-Team kritisieren, dass es keine Vorwarnung gegeben hatte. Trotz Kenntnis der Situation wurden die Sirenen erst gegen 23:00 Uhr ausgelöst, als das Wasser bereits über die Straßen floss. Innerhalb von 45 Minuten stieg es dann über drei Meter hoch. Die Keller waren dadurch sowieso und in den meisten Fällen auch das Erdgeschoß überflutet. Der Versuch, zu diesem Zeitpunkt noch Fahrzeuge in Sicherheit zu bringen, war bereits lebensgefährlich, denn die Fahrzeuge schwammen auf und die Wassermassen rissen sie mit sich.
In den folgenden Tagen kam die Versorgung der Bevölkerung dann immer besser in Gang. Es wurde eine Verteilstruktur aufgebaut, um auch Bewohner in den umliegenden Ortsteilen ahraufwärts zu erreichen. Aufgrund von unpassierbar gewordenen Straßen entlang des Flusses und nicht mehr vorhandenen Brücken eine nur sehr schwer zu lösende Aufgabe.
Wir packten dennoch unseren Kombi mit Lebensmitteln und Getränken voll und versuchten, die Menschen zu erreichen. Allerdings leider nur mit mäßigem Erfolg, da wir häufig einfach nicht durchkamen. Da aber THW und Feuerwehr schon Hilfsdepots eingerichtet hatten, konnten die Menschen soweit wie möglich versorgt werden.
Wie wichtig das Verteilzentrum und insbesondere das Medical Center waren, zeigte sich höchstdramatisch am Freitag gegen Abend, als einer der Helfer mit einem allergischen Schock dorthin gebracht werden musste. Die anwesende Ärztin, Dr. Margarethe Notemann konnte mit ihrem Stab an Krankenschwestern den Patienten solange stabilisieren, bis der herbeigerufene Notarzt via Helikopter eintraf, ihn übernehmen und in ein Krankenhaus überführen konnte.
Dann machte das Gerücht die Runde, dass die Aloisius-Grundschule nicht mehr als Verteilzentrum genutzt werden könne. Das bewahrheitete sich so nicht, und es konnte seinen humanitären Aufgaben Gott sei Dank weiterhin nachkommen.*
Wir würden uns wünschen, dass in derartigen Fällen seitens der politisch Verantwortlichen zukünftig schneller und deutlich professioneller gehandelt werden wird, und das ist, wofür dieBasis sich einsetzen wird: dass die humanitäre Hilfe immer an erster Stelle steht und auch denjenigen zu Gute kommt, die in solchen Katastrophenfällen am dringendsten darauf angewiesen sind.
* Nachtrag: Die Schule wurde am Mittwoch, dem 28. Juli auf Anordnung der Stadtverwaltung Ahrweiler durch die Polizei geräumt und steht somit nicht mehr für die dringend erforderliche humanitäre Hilfe zur Verfügung. Was den Grund für diese Entscheidung angeht, gibt es aktuell (Donnerstag, den 29. Juli) noch keine gesicherten Erkenntnisse, außer, dass die Stadtverwaltung das Hausrecht geltend gemacht hat. Es existiert ein Brief an das Helferteam vom 28. Juli, der die Aufforderung enthält, die Schule zu verlassen.
Donnerstag, 29.Juli 2021, 8:30 Uhr
Die Stadtverwaltung Ahrweiler hat die Räumung der Aloisius-Grundschule nun doch angeordnet. Die Polizei setzte die Anordnung mithilfe eines massiven Aufgebots durch.
Das Schreiben der Stadtverwaltung enthielt die Aufforderung, das Gebäude mit dazugehörigem Grundstück mit Frist 28. Juli 2021, 19:00 Uhr zu räumen. Weiterhin hieß es, dass die Stadtverwaltung sich vorbehielte, Strafanzeigen zu stellen, sollte dieser Aufforderung nicht nachgekommen werden.
Daraufhin versuchten mehrere der von Anbeginn involvierten Personen mit dem Unterzeichner des Schreibens, einem Herrn Wiemer, eine Lösung durch ein Gespräch zu erreichen. Dieser Versuch scheiterte jedoch.
Da die komplette Räumung bis zum angegeben Zeitpunkt rein logistisch unmöglich war, verblieben etliche Sachspenden und Lebensmittel in der Schule. Entgegen der Zusage der Polizei wurde die Schule nicht verschlossen, sodass mehrere Personen sich in der Nacht Zutritt verschaffen und etliche der Sachspenden entwendet konnten.
Donnerstag, 29.Juli 2021, 20:00 Uhr
Laut bisher noch unbestätigten Informationen wurde in Ahrweiler auf privatem Grund ein Zelt aufgestellt, in dem die verbliebenen Lebensmittel und Sachspenden gelagert werden konnten. Helfer organisieren nun wieder eine Essensausgabe.
Ein Augenzeugenbericht von Wolf Hamann und einer Hamburger Krankenschwester (die namentlich nicht genannt werden möchte). Beide sind Mitglieder der basisdemokratischen Partei Deutschlands, dieBasis.