Mahnwache für die Opfer der Taliban: Am kommenden Sonntag (12. Juni 2022) versammeln sich Afghanen und Familienangehörige eines Taliban-Opfers ab 15 Uhr am Hamburger Hauptbahnhof (Hachmannplatz), um auf das Schrecken in Afghanistan aufmerksam zu machen.
Seit 27 Jahren bin ich, Sabine Karp (Autorin dieses Gastbeitrags), mit unseren afghanischen Nachbarn gut befreundet. Sie kommen aus dem Panjshir-Tal, der Heimat von Ahmad Shah Massoud, der vor 21 Jahren von zwei als Journalisten getarnten Selbstmordattentätern der Al Quaida ermordet wurde. Seitdem ist die Bevölkerung Afghanistans durch schwere Zeiten gegangen. Aber was aktuell im Panjshir-Tal geschieht, übertrifft alles, was die Menschen dort bisher erlebt haben.
Rund 8.000 Taliban-Kämpfer befinden sich zurzeit im Panjshir-Tal und nehmen sich alles, was den ohnehin bescheiden lebenden Menschen gehört: Häuser, Vieh, Ernten. Die Menschen dort leben in ständiger Angst vor der Willkür und Brutalität der Taliban. Allein in den vergangenen sechs Monaten sind in der Region vermutlich mehr als 200 unschuldige Menschen von den Taliban ermordet worden.
Wir haben alle noch die Bilder von den Menschen im Kopf, die versuchten, sich an Flugzeuge zu hängen, um aus dem Land zu kommen, nachdem die US- und die deutsche Armee Hals über Kopf das Land verließen und die Taliban die Macht im Land übernahmen. Diese Menschen wussten, wovor sie fliehen wollten, denn die Taliban hatten das Land bereits von 1996 bis 2001 mit ihrer barbarischen Ideologie tyrannisiert.
Es gibt im Panjshir-Tal Menschen, die sich dagegen wehren, dass man ihnen alles nimmt – ohne jegliche finanzielle Unterstützung und mit wenigen Waffen leisten sie Widerstand. Ein fast unmögliches Unterfangen gegen diese Übermacht der Taliban, die in die Häuser kommen und auf den Wegen lauern, um nach den Menschen zu suchen, die mit dem Widerstand in Verbindung stehen, um sie zu foltern und umzubringen.
Letztes Wochenende wurde der 45 Jahre alte Bruder meines Nachbarn von den Taliban festgenommen, gefoltert und getötet. Der Mann hinterlässt eine Frau und sieben Kinder. Die Familie in Hamburg möchte anstelle einer Trauerfeier eine Mahnwache veranstalten, um auf die verheerenden Zustände in Afghanistan aufmerksam zu machen. Die Mahnwache ist für Sonntag, 12. Juni 2022 am Hamburger Hauptbahnhof um 15 Uhr geplant.
Diese Entwicklung kann dem sogenannten Wertewesten nicht unbekannt sein. Der vor allem von Regierungen propagierte „Kampf gegen Terrorismus“ hat die Taliban nicht geschwächt. Im Gegenteil: Sie sind immer mächtiger geworden. Die Ignoranz der NATO-Staaten zeigt, dass ihnen das Leid der Zivilbevölkerung vollkommen egal ist.
dieBasis Hamburg unterstützt den Aufruf zur geplanten Mahnwache. In einer Zeit, in der alle Welt wie gebannt auf die Ukraine schaut, ist es umso wichtiger, die Augen für die Kriegsopfer in anderen Regionen dieser Welt offen zu halten.