Ist Freiheit eine Illusion?

Diese Frage drängte sich mir auf, nachdem ich nach einem Vortrag zum Thema „Warum wählen Wähler, was sie wählen“ in Hamburg mit dem Referenten sprach. Dieser hat sich intensiv mit dem Thema der Neurowissenschaft beschäftigt; hier im Speziellen mit dem Gehirn als unbekanntes Terrain. Diese Aussage wurde bereits von Professor Wolf Singer im Jahre 2001 getroffen und führte damals zu einer kurzzeitigen Diskussion der möglichen Implikationen – bis das Thema wieder aus den Medien verschwand (siehe Spektrum der Wissenschaft vom 1.2.2001).

Eine Aussage wurde seitdem in unzähligen Versuchen der Neurologie, Biologie und Neuro-Science immer wieder bestätigt: „Die Freiheit ist in der Architektur des Gehirns nicht vorgesehen. Das Gehirn arbeitet mit unzähligen Algorithmen und niemand hat bisher irgendwo Freiheit im Sinne einer eingebauten Varianz gefunden.“

Die andere Aussage war: „Freiheit entsteht nur durch Kommunikation.“ Eine Kommunikation entsteht nur dann, wenn man seine Gegenüber dort abholt, wo er oder sie gerade stehen. Das erfordert das Verstehen der anderen Seite und damit Einfühlungsvermögen, die Aktivierung der Spiegelneuronen und Empathie. Hass verhindert diese menschliche Ur-Funktion. Mit Hass kann man keine Kommunikation in Gang setzen und damit wird die Entstehung von Freiheit unterbunden; es entsteht Unfreiheit. Menschen, die sich in Hasstiraden ergehen, sind selbst unfrei und versuchen, bei anderen die Entstehung von Freiheit zu verhindern.

In der momentanen politischen Diskussion haben Hasstiraden auf allen Ebenen ein bisher nicht gekanntes Ausmaß angenommen. Ein politischer Diskurs wird dadurch von vornherein verhindert. Damit gibt es auch keine Möglichkeit, in einen sachlichen Austausch von Ideen einzutreten und kontrovers diskutierte Themen einer Lösung zuzuführen.

Es stellt sich die Frage, ob die momentan zu beobachtende Hasskultur einen bestimmten Zweck verfolgt. Bisher ging ich davon aus, dass diese Kultur nur der Spaltung der Bevölkerung dienen soll. Für Herrschenden galt schon immer der Grundsatz: „Spalte und herrsche.“ Das war schon immer ein probates Mittel, den eigenen Herrschaftsanspruch zu sichern.

Es stellt sich aber die Frage, ob der bewusste Einsatz des Hasses als politisches Instrument nicht auch einen anderen Zweck verfolgt. Durch ihren Einsatz verhindere ich die Kommunikation zwischen Menschen. Diese werden durch das bewusst eingesetzte Mittel des Hasses ihrer Freiheit beraubt. Sie werden zu unfreien Menschen. Das bedeutet, dass die Menschen viel einfacher beherrschbar sind und von denen, die den Hass säen, viel einfacher zu kontrollieren sind. Es gilt also.

Das Säen von Hass ist ein Beherrschungsinstrument der Mächtigen.

Deshalb muss jeder Mensch, der die Freiheit liebt, mit Verständnis und Empathie auf diejenigen zugehen, die eine andere Meinung vertreten. Tut man dies nicht, begibt man sich selbst in die Unfreiheit und Sklaverei.

Autor: Peter Scheller

4 Kommentare

  1. Dass Freiheit nur durch Kommunikation entsteht, finde ich einen interessanten Blickwinkel. Es ist aber auch eine Engführung.
    Das Leben folgt keinem linearen Pfad, der strikt vorgegeben ist. Eben weil wir als Menschen die Fähigkeit haben, Entscheidungen treffen zu können.
    An jeder Gabelung entscheide ich mich neu.
    Zugegeben, es gibt Menschen, die ihre Entscheidungen anderen überlassen.

  2. Danke für den tollen Beitrag.
    Freiheit ist ein mittlerweile stark strapaziertes Gummi-Wort …

    Hier zur Anregung ein paar Zitate dazu:

    Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin,
    dass er tun kann, was er will,
    sondern dass er nicht tun muss, was er nicht will.
    (Jean-Jacques Rousseau)

    Freiheit ist der Raum zwischen Impuls und Antwort.
    Freiheit ist das, wie ich diesen Raum fülle.
    (Viktor Franke)

    Freiheiten verteidigt man dadurch, dass man sie wahrnimmt.
    ☺️

  3. Sehr schöner Artikel.. 👍🏻
    „Freiheit entsteht nur durch Kommunikation.“.. So ist es .

  4. Ein guter Artikel, er hilft zu verstehen, warum Menschen so schnell “dicht machen” und sich keinem Argument mehr öffnen wollen. Ich habe mal einen Satz gehört “Was man kennt (und versteht) kann man nicht hassen”. Darum wollen manche Menschen vielleicht nicht zuhören , sie könnten ja das Verständnis und Lieben lernen?

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