Plenarsitzung der Hamburgischen Bürgerschaft am 16. Juli 2025

dieBasis hat die letzte Sitzung der Hamburgischen Bürgerschaft vor der Sommerpause beobachtet. Wir beobachten das parlamentarische Geschehen aus der Sicht mündiger und kritischer Bürgerinnen und Bürger. Dabei berichten wir über Gesetzesvorhaben und parlamentarische Abläufe, die wir für besonders bemerkenswert oder diskussionswürdig halten.
Die Aufklärung als Grundlage unseres Staatswesens?
Man hörte in der Sitzung den Begriff „unsere Demokratie“ immer wieder. An einigen Stellen hatte man das Gefühl, dass sich die Redner im Besitz der demokratischen Erleuchtung befinden. Eine der Abgeordneten der Hamburgischen Bürgerschaft sprach sogar von der Aufklärung als Grundlage unseres Staatswesens. Wenn man sich die Äußerungen unserer Volksvertreter anschaut, beschleicht einen das Gefühl, dass ihnen das Konzept René Descartes des „methodischen Zweifels“ fremd ist. Nach Descartes Überzeugung ist der Zweifel die einzige Methode, um die Wahrheit zu entdecken. Der Zweifel am richtigen Handeln der eigenen Person, der eigenen Fraktion, des eigenen Koalitionspartners kommt nie auf oder wird sorgsam verdeckt.
Würden unsere Repräsentanten weniger Wert auf eine gute Rhetorik und immer wiederkehrende Angriffe auf den „politischen Feind“ und mehr auf die sachliche Auseinandersetzung legen, würden sie dem Volk sicher besser dienen.
Technologieförderung
Es fließen 50 Millionen Euro zusätzlich für Startups und Zukunftstechnologien nach Hamburg. Diese kommen allerdings nicht aus dem Budget der Hansestadt, sondern von nichtstaatlichen Stiftungen und aus dem Bund. Dabei geht es um eine Initiative der „Impossible Founders“.
Gefördert werden sollen Entwicklungen im Bereich „deep tech“. Dabei fielen Begriffe wie „Quantencomputing“, „Biotech“ und „KI“. Die besondere Rolle der Biotech-Branche bei „Überwindung der Pandemie“ und die „herausragende Leistung“ von BioNTech wurde hervorgehoben. Insgesamt wurde wieder deutlich, dass unsere Politiker „wissenschaftsgläubig“ sind und die dunklen Seiten dieser neuen Technologien nicht sehen oder nicht sehen wollen.
Eine positive Nachricht ist dennoch berichtenswert. Die Gründung eines schlagkräftigen Clusters für Sicherheits- und Verteidigungsindustrie in der Metropolregion wurde von den Abgeordneten der Hamburgischen Bürgerschaft mehrheitlich abgelehnt.
Justiznotstand und kein Ende
Nun wurde zum dritten Mal in Folge die „schwierige Situation“ des Hamburger Justizapparates ausgiebig erörtert. Wir berichteten schon darüber (https://diebasis-hamburg.de/2025/07/neues-aus-der-hamburgischen-buergerschaft-2/). Die Liste der prekären Missstände ist lang:
- Es gibt 57.000 unerledigte Fälle.
- Staatsanwaltsstellen können nicht besetzt werden.
- Die Strafjustizanstalten sind überbelegt.
Als Ergebnis gibt es überlange Verfahrensdauern, und Straftaten verjähren dadurch.
Die Justizsenatorin und Abgeordnete der Hamburgischen Bürgerschaft sprachen von einer „ernsten Lage“ aber man habe geeignete Maßnahmen „auf den Weg gebracht“. Genau diese Phrase, die Politiker sehr oft verwenden, erfordert eine nähere Betrachtung.
… auf den Weg bringen
Der Ausdruck impliziert, dass jemand etwas in Bewegung setzt und danach davon ausgeht, dass die Sache ohne weiteres Zutun in die richtige Richtung läuft. Es erfolgt also eine aktive erste Handlung mit einer nachfolgend eher passiven Erwartung, dass „es“ schon weiterläuft.
Die politische Rhetorik bedeutet,
- „Wir haben etwas getan!“,
- … lässt aber offen, was in der Folge kommt und
- schiebt die Verantwortung für die Umsetzung elegant von sich weg.
Auch in den Debatten der Hamburgischen Bürgerschaft wird immer wieder davon gesprochen, dass man einen Impuls setzen muss. Die Politik konzentriert sich also darauf, Gesetze zu beschließen, Fördertöpfe aufzulegen und Konzepte zu schreiben. Die notwendigen Folgehandlungen wie das Kontrollieren, Steuern, Nachhalten, Anpassen und Durchziehen werden regelmäßig aus den Augen verloren.
Erst wenn auf den Weg gebrachte Maßnahmen sich als schwierig in der Umsetzung herausstellen oder zu scheitern drohen, kommen sie wieder auf die politische Tagesordnung. Für die Zeit zwischen beiden Zeitpunkten übernehmen Politiker der Exekutive nur sehr selten die Verantwortung. Der Hamburgische Senat ist aber als höchstes Organ der Exekutive für eine ordnungsgemäße Umsetzung aller beschlossenen Maßnahmen verantwortlich.
Wir werden also beobachten, ob die von Justizsenatorin Gallina „auf den Weg gebrachten“ Maßnahmen zur Beseitigung des „Justiznotstandes“ tatsächlich dazu führt, dass sich die Verhältnisse im Hamburger Justizapparat bessern.
Der Paukenschlag zweiter Teil: Änderung der Hamburgischen Verfassung
Die Lockerung der Schuldenbremse wurde in zweiter Lesung verabschiedet. Damit steht einer weiteren Verschuldung der Hansestadt nichts mehr im Wege. Was das für die Freie und Hansestadt Hamburg bedeutet, haben wir bereits dargestellt: https://diebasis-hamburg.de/2025/07/neues-aus-der-hamburgischen-buergerschaft-2/).
Weitere Informationen zur Hamburgischen Bürgerschaft
Die übrigen Themen der Sitzung können dem offiziellen Protokoll entnommen werden:
Protokolle der Bürgerschaftssitzungen – Hamburgische Bürgerschaft
Wie die Hamburgische Bürgerschaft arbeitet, findest Du hier.
Die nächste Plenarsitzung findet am 10. September 2025 statt.
dieBasis wird erneut vor Ort berichten.
Bleiben Sie informiert – besuchen Sie unsere Website für weitere Analysen zur Hamburger Landespolitik.
Autor: Peter Scheller
