Tor zur Welt unter Druck: Der US-Default bedroht Hamburgs Hafen und Wirtschaft

Am 21. August meldete das US-Finanzministerium ein Guthaben von 561,3 Milliarden Dollar auf
seinem zentralen Staatskonto, dem Treasury General Account (TGA). Nur einen Tag zuvor lag der Wert noch bei 526,1 Milliarden. Im Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre betrug der Stand im Sommer lediglich rund 220 Milliarden (FRED, St. Louis Fed; yCharts). Warum also hortet Finanzminister Brian Bennett so viel Liquidität, obwohl er dafür fast eine Milliarde Dollar an Zinsen pro Monat zusätzlich zahlen muss? Die Antwort liegt in der politischen Sprengkraft der kommenden Wochen: Die USA steuern nicht auf einen technischen, sondern auf einen politisch erzeugten Zahlungsausfall zu.

Anders als in früheren Auseinandersetzungen um die Schuldenobergrenze geht es diesmal nicht
um die formale Anhebung des „Debt Ceiling“. Diese ist bereits geschehen. Das Problem: Es gibt
keine gesetzeskonform verabschiedeten Einzelbudgets für die Ministerien. Um diese durch den
Senat zu bringen, wären 60 Stimmen nötig – also Kompromisse mit den Demokraten. Doch Trump 2025 versucht es gar nicht. Stattdessen drängt er auf seine „Big Beautiful Bill“, ein riesiges Sammelpaket, das vor allem eine Umverteilung von unten nach oben bedeutet (AP News). Das Fehlen echter Haushaltsgespräche zeigt: Es geht Trump nicht um Regierungsfähigkeit, sondern um politische Eskalation.

Um das TGA aufzufüllen, hat das Treasury allein in der ersten Augusthälfte über 724 Milliarden
Dollar an neuen Staatsanleihen verkauft (Wolfstreet). Ziel ist ein Guthaben von rund 850 Milliarden Dollar bis Ende September (US Treasury TBAC Meeting). Jeder zusätzliche Emissionsschub kostet Zinsen und verstärkt die Nervosität der Märkte. Fitch warnte am 22. August, dass trotz guter Zolleinnahmen das US-Defizit steigen wird (Reuters).

Trump hat mehrfach erklärt, ein „Default wie bei Business Deals“ sei für ihn ein legitimes
Druckmittel (AP News). Seine Politik ist nicht auf Kompromiss angelegt, sondern auf Konfrontation:

  • Innenpolitik: Kritiker werden durch das FBI mit Verfahren wegen angeblichem Hypothekenbetrug überzogen.
  • Medien: Zeitungen, die kritisch berichten, droht er mit Milliardenklagen; jüngst sprach
    er von einer 20-Milliarden-Dollar-Klage gegen ein Verlagshaus (Politico).
  • Außenpolitik: Statt Allianzen zu suchen, verhandelt er direkt mit autoritären Führern wie Putin – ohne Rücksicht auf demokratische Prozeduren. All das zeigt: Trump strebt keine Kompromisslösung im Senat an, sondern will seine Vorstellungen mit Gewalt durchsetzen.
    Ein Zahlungsausfall der USA wäre ein weltweites Schockereignis: – Dollaraufwertung – Investoren flüchten in Bargeld. – Treasury-Marktchaos – Renditen von 10- und 30-jährigen Anleihen steigen massiv. – Banken unter Druck – vor allem in Europa, wo Dollar-Finanzierungen üblich sind. – Aktienmärkte – Limit-Downs in Futures, Panikverkäufe an den Kassamärkten.

Schon heute zeigen sich Nervosität und steigende Kosten bei Credit Default Swaps auf US-Treasuries (Reuters).

Hamburg ist nicht irgendeine deutsche Stadt, sondern ein globales Handelsdrehkreuz. Ein
US-Default würde:

  • Containerumschlag einbrechen lassen, weil Exportgüter teurer und unsicherer werden.
  • Reedereien belasten, deren Schiffsfinanzierungen größtenteils in Dollar laufen.
  • Bankenplatz Hamburg treffen, da viele mittelständische Firmen kurzfristige Dollarlinien benötigen.

Das „Tor zur Welt“ wäre damit einer der ersten Orte, an denen die abstrakte Finanzkrise sichtbar
würde: leere Containerterminals, gestoppte Kredite, verunsicherte Mittelständler.

Schon im 19. Jahrhundert machte der globale Zucker- und Kolonialhandel Hamburg reich – und
zugleich verletzlich. Jede Störung auf den Weltmärkten traf die Stadt unmittelbar. Heute ist es nicht mehr Zucker, sondern Dollar-Liquidität, von der Hamburg abhängt. Der drohende US-Default wäre damit die moderne Form des „Zucker-Schocks“.

Das TGA ist nicht nur eine technische Kennzahl, sondern ein politisches Frühwarnsystem. Dass es heute so stark aufgepumpt wird, zeigt: Die US-Regierung stellt sich auf den Sturm ein – nicht, um ihn zu verhindern, sondern um ihn auszunutzen. Und wenn er kommt, wird er nicht in Washington sichtbar, sondern in Hamburg. Dort, wo Container fehlen und Kredite platzen – im Tor zur Welt.

Quellenverzeichnis

FRED St. Louis Fed: https://fred.stlouisfed.org/series/TGAACBAL

yCharts: Treasury General Account Closing Balance (Daily) – United S…

AP News: US could run short of money to pay its bills by August without a debt limit deal, CBO says | AP News

Wolfstreet: https://wolfstreet.com/2025/08/08/government-sold-724-billion-of-treasuries-this-week-debt-hits-37-0-trillion-getting-ready-for-the-feds-shift-to-t-bills

US Treasury TBAC Meeting: Report to the Secretary of the Treasury from the Treasury Borrowing Advisory Committee

Reuters Fitch-Rating: Fitch affirms US credit at ‚AA+‘, rising debt a ratings constraint | Reuters

Politico: https://www.politico.com

Reuters Treasury Market Risk: https://www.reuters.com/markets/us/trump-tariff-reprieve-could-crea te-more-risk-treasury-market-klement-2025-05-29/

Autor: Heinrich Wohlerts

dieBasis Hamburg - mehr Demokratie machen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert