
Ein Bild aus Triest, Hamburg oder jedem anderen Hafen Europas genügt, um die Absurdität unserer Zeit sichtbar zu machen: Ein schwimmender Palast legt an, tausende Passagiere steigen aus – sonnengebräunt, im Überfluss lebend, gespeist von Buffets, Wein und Entertainment. Hinter ihnen erhebt sich die Stadt: verarmt, überlastet, in ihren Infrastrukturen längst am Limit.
In Hamburg wird es geradezu grotesk. Die Elbe spuckt immer neue Kreuzfahrtriesen aus, während die Stadt gleichzeitig fünf oder sechs zusätzliche Umspannwerke bauen muss, nur um den Stromhunger dieser schwimmenden Städte zu bedienen. Das Straßennetz bricht ohnehin unter Verkehr und Baustellen zusammen, der Weg vom Hauptbahnhof nach Duvenstedt dauert inzwischen deutlich länger als die Strecke von Frankfurt nach Wiesbaden. Die Bürger stehen im Stau, während oben auf den Decks die Champagnerkorken knallen.
Und als wäre das nicht genug: Die Schiffe selbst sind schwimmende Umweltkatastrophen. Auf hoher See laufen ihre Schwerölmotoren ungehindert – sie spucken giftige Abgase in die Luft, die kein Messnetz kontrolliert, weil niemand dort lebt, der sich beschweren könnte. Doch sobald sie die Häfen erreichen, müssen sie auf andere Motoren umschalten. Nicht aus Rücksicht auf die Umwelt, sondern weil die giftige Luft, die sonst ausgestoßen würde, für die Hafenstädte untragbar wäre. In Hamburg ist die Lage besonders prekär: Die Schadstoffbelastung trifft die dicht bebauten Viertel nahe am Hafen wie ein Schlag, während die Stadt versucht, mit unzureichenden Maßnahmen Schadensbegrenzung zu betreiben.
Die Kreuzfahrtschiffe sind mehr als nur Tourismus. Sie sind Symbole für eine Welt, in der Wohlstand und Realität auseinanderdriften. Sie erinnern an die Luxuskapseln in Luc Bessons „Das fünfte Element“: durch das All kreisende Parallelwelten der Reichen, die gelegentlich auf einem geschundenen Planeten landen, um kurz einzukaufen oder ein paar Selfies zu machen.
Hamburg, Triest, Barcelona, Dubrovnik – sie alle zeigen die gleiche Perversion: Während die Städte ihre Bürger mit Armut, Chaos, kaputter Infrastruktur und giftiger Luft zurücklassen, landen Kreuzfahrtriesen wie Raumschiffe an. Und so lange die Illusion anhält, kann man sich einreden, dass das System funktioniert. Doch irgendwann kommt der Moment, an dem das Armageddon, von dem Besson nur fabulierte, Realität wird – und die Kreuzfahrtriesen plötzlich nirgendwo mehr anlegen können.
Autor: Heinrich Wohlerts

Was ist die Intention dieses Artikels? Städte wie Hamburg, Triest, Barcelona und Dubrovnik würde ich kaum als von Armut bedroht bezeichnen. Da gibt es europaweit mindestens 100 signifikantere Kandidaten.