Ist Frieden ein Wort oder eine Haltung?

Ich wohne in einem Haus mit 21 Wohnparteien, die sich über einen Verein zusammengefunden haben. Eine Familie mit zwei Kindern kommt aus Syrien. Am Anfang waren sie unverschleiert, jetzt tragen Mutter und Tochter (16) immer Schleier. Verschleierte Frauen stellen für mich eine Demonstration der Unfreiheit dar, die ich mittelalterlich finde. Die Familie erscheint mir konservativ und sehr auf die materielle Bewältigung des Lebens orientiert.

Ich bin immer noch bei meiner Suche nach Frieden, doch wenn ich Mutter oder Tochter treffe, kocht mir die Galle hoch, und das nenne ich das Gegenteil von Frieden. Darum frage ich mich, wo die Wut herkommt und was ich dagegen tun kann, weil ich so nicht leben möchte.

Ich finde es schön, Frauen mit wippendem Gang und offenen Haaren nachzuschauen, das ist Sommer und bedeutet für mich Freiheit. Jetzt kamen diese verschleierten Frauen daher, die geschlossen sind und sich mit ihrer Kleidung meinen Blicken entzogen. Was also arbeitete in mir?

Ich fragte den Buddha, dessen Lehren ich seit geraumer Zeit studiere. In A.IX.34 fand ich hier die Anregung, wie ich die verwehrten Gefühle der Verschleierten verstehen konnte. Meine Prägungen (Vorurteile) und mein sinnliches Begehren behindern mich auf dem Weg zum Glück.

Die Nachbarinnen ignorierten mich und mein Werben, mit dem ich hiesige Frauen ansehe.

Ich musste mich also umorientieren. Eine gute Methode, so habe ich herausgefunden, heißt, woanders hinzusehen. Also fragte ich den Ehemann und Vater und machte mit ihm einen langen Spaziergang. Ich wollte wissen, was ihn und seine Familie beschäftigte, um mir ein Bild von ihrem Leben zu machen. Ich vermied die Verschleierung, weil ich wusste, dass das ein Reizthema war. Er lud mich zum Kaffee ein und ich erzählte ihm von meinem und dem Leben meiner Familie.

Später, als ich über das Treffen nachdachte, fiel mir das sichere Gefühl in mir auf, dass die Familie mir Unterkunft gäbe, sollte ich in Not geraten. Der Mann war sicher kein Freund von mir, dazu war sein Leben zu verschieden von meinem. Aber er war ein guter Nachbar geworden, den ich immer gerne treffe. Seine Frau und seine Tochter? Wir schauen uns an, mit offenen Augen und tauschen Höflichkeiten aus, mehr nicht.

Es gibt, das habe ich durch diesen Vorgang verstanden, neben den mir verhassten so doch andere, hilfreiche Eigenschaften von Menschen, die man aber nicht erkennt, wenn man nur auf das starrt, was man an jemandem zu kritisieren hat. Diese andere Aufmerksamkeit könnte einer der Wege sein, um Frieden in sich und damit auch ein bisschen in der Gemeinschaft zu finden. Frieden ist Freude, die pure Lebensenergie. Ich brauche diese Freude, weil ich sonst untergehe.

Autor: Rainer Schubert

dieBasis Hamburg - mehr Demokratie machen

Ein Kommentar

  1. Lieber Rainer, danke für den Beitrag. Mit anderen Worten: Laufen die Dinge nicht, wie Du willst, denke anders!
    Das könnte ein guter Weg zum Frieden sein 🕊️

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