Was ist eigentlich rechts- oder linksextrem?

Bevor man entsprechende Begriffe im politischen Bereich verwendet oder zu verstehen sucht, sollte man sich ihrer eigentlichen Bedeutung bewusst werden. Eine solche Betrachtung lässt einen klareren Blick darauf zu, was in der Politik verwendete Begriffe eigentlich bedeuten oder bedeuten sollten. So erkennt man, ob sie sinnvoll, sinnwidrig oder auch vorsätzlich falsch verwendet werden.

Rechts und links sind Richtungsangaben, abhängig von der Sicht des Betrachters. Was für einen rechts ist, ist für die Gegenüberstehende links; und umgekehrt. Der Begriff extrem im räumlichen Sinn ist ohne die Mitte nicht zu erklären. Der Begriff Mitte ist ein Punkt oder Teil von etwas, der von allen Enden oder Begrenzungen gleich weit entfernt ist. Der Begriff extrem im räumlichen Sinn bedeutet, dass etwas innerhalb eines messbaren, beobachtbaren oder erfahrbaren Bereiches an der äußersten Grenze liegt. Alle Begriffe hängen also von Sichtweise des Beobachters ab, sind also subjektiv.

Für eine Analyse in der heutigen politischen Diskussion spielt auch der Begriff der Brandmauer eine bedeutende Rolle. Eine Brandmauer oder Brandwand ist eine Wand, die durch ihre besondere Beschaffenheit das Übergreifen von Feuer und Rauch von einem Gebäude oder Gebäudeteil auf ein anderes Gebäude oder einen anderen Gebäudeteil verhindern soll. Dabei gibt es aber für ein Gebäude auch andere ernstzunehmende im Innern lauernde Gefahren wie Hausschwamm, Fäulnis, bautechnische Strukturschwächen oder einfach nur die Vernachlässigung notwendiger Maßnahmen zur Erhaltung des Gebäudes. Eine Brandmauer wird nur ein in sich stabiles und intaktes Gebäude schützen. Ist das Gebäude einsturzgefährdet, nützt die Brandmauer nichts.

Historisch stammen die politischen Begriffe links und rechts aus der französischen Revolution. In der Pariser Abgeordnetenkammer saßen rechts vom Präsidenten die Konservativen, die an der bestehenden politischen Ordnung festhalten wollten. Links des Präsidenten saßen die Revolutionäre, die eine politische und gesellschaftliche Veränderung wollten. Übrigens gibt es dieselbe Sitzordnung im Bundestag heute immer noch.

Die Machtergreifung linksextremer politischer Kräfte führten sowohl in der französischen Revolution und während eines bedeutenden Teils des zwanzigsten Jahrhunderts zu politischer Verfolgung bis hin zur Tötung tatsächlicher oder angeblicher Gegner; und zwar nicht die Tötung Weniger, sondern von Millionen. Die leidvollen Erfahrungen des zwanzigsten Jahrhunderts zeigen, dass sich Links- und Rechtsextremismus nicht unterscheiden. Sofern man sich den Dogmatismus, die Ideologie und die Brutalität der links- und rechtsextremen Diktaturen dieser Periode anschaut, stellt sich unwillkürlich die Frage, ob heute politische Parteien auf dem linken und rechten Flügel des Parteienspektrums in Deutschland von ihrer Ausrichtung und politische Agenda überhaupt mit den faschistischen oder kommunistischen Parteien des zwanzigsten Jahrhunderts vergleichen lassen. Das ist schon deshalb zu verneinen, weil sie keinen Absolutheitsanspruch haben. Wahrscheinlich ist allein deshalb die Verwendung des Begriffs extrem unzutreffend. Bestenfalls kann man von rechts– oder linksaußen sprechen, wobei auch diese Begriffe definiert werden müssten.

Es ist die Frage, wer eigentlich eine Partei als extrem bezeichnet. Die so bezeichneten Parteien bezeichnen sich selbst nie so. Dies gilt auch für die diktatorischen Regime des zwanzigsten Jahrhunderts. Um diese Frage zu klären, muss man vorab die Begriffe Mitte und Brandmauer aus politischer Sicht untersuchen.

Die Versuche von Parteien, sich als politische Mitte zu definieren, ist nichts anderes als eine Fehldeutung des Begriffs Mitte. Dieser Versuchung konnte weder Willy Brandt 1972 mit dem Begriff Neue Mitte noch Helmut Kohl 1998 mit dem Begriff der Koalition der Mitte widerstehen. Die Mitte ergibt sich eben nur aus der jeweiligen Position der politischen Extreme. Diese Position ist volatil und kann im Zeitverlauf erheblichen Bewegungen unterliegen. Jeder Versuch, die politische Mitte aus sich selbst heraus erklären zu wollen, führt nur zu einem konturlosen und diffusen Denkkonstrukt.

Wichtig ist die Begriffsbestimmung der politischen Brandmauer. Politisch soll eine Barriere geschaffen werden, die verhindern soll, dass bestimmte politische Ideen oder Verhaltensweisen von einer Seite zur anderen übertragen werden. Es gilt also, ein politisch gefährliches Feuer in den eigenen politischen Bereich der Partei und seiner Anhänger zu verhindern. Grundsätzlich kann eine Brandmauer aber Schutz für beide benachbarte Gebäude bieten, denn ein Feuer kann in jedem der beiden Gebäude lodern. Somit hat eine Brandmauer eine doppelte Schutzfunktion. So wird der Begriff Brandmauer in der momentanen politischen Diskussion aber nicht gebraucht. Die Brandmauer soll davor schützen, das Haus der Demokratie insgesamt zu schützen. Das kann nur bedeuten, dass die Partei außerhalb der Schutzmauer die Demokratie zerstören wollen. Es kann aber auch etwas anderes bedeuten. Innerhalb der Schutzmauern befinden sich Bewohner, spricht Parteien, die sich darin behaglich eingerichtet haben und sich davor fürchten, dass ein neuer Bewohner ihre Behaglichkeit, sprich ihre besonderen Vorrechte und Pfründe, gefährden könnten. Das man sich davor schützen will, ist menschlich verständlich, schützt aber nicht das Haus, spricht die Demokratie an sich.

Gleichzeitig stellt ein Feuer nicht die einzige Gefahr für ein Haus dar. Instabilität oder Baufälligkeit können das gleiche Gefahrenpotential bieten. Große Gefahren stellen im politischen Bereich Korruption, Amtsmissbrauch, Gesetzlosigkeit, Ignorieren der Volksmeinung und Opportunismus dar. Sie höhlen die Demokratie von Innen aus. Die Brandmauer kann in diesem Fall den Zusammenbruch der Demokratie höchstens hinausschieben; den Zusammenbruch wird sie nicht verhindern.

In der momentanen politischen Diskussion und den Leitmedien stellen rechtsextreme Gefahren momentan das einzige Thema dar. Es scheint, als wenn es einen Linksextremismus gar nicht (mehr) gibt. Das kann bedeuten, dass es überhaupt keine politische Mitte mehr gibt oder diese weit nach rechts gerückt ist. Es kann aber auch bedeuten, dass die linksextremen politischen Kräfte salonfähig geworden sind und vom Zentrum der politischen Macht nicht mehr als Bedrohung angesehen werden.

Interessant ist auch der Begriff rechtsoffen. Dieser impliziert auf jeden Fall, dass eine so bezeichnete Partei oder Bewegung nicht rechts ist. Sonst müsste sie ja als rechts bezeichnet werden. Nach der oben dargestellten historischen Begrifflichkeit bedeutet dies nur, dass diese Partei dem Gedankengut von Konservativen offen gegenüber ist, die an der bestehenden politischen Ordnung festhalten wollen. Ob diese Bedeutung der Intention der Erfinder und Nutzer dieses Begriffs entspricht, darf bezweifelt werden. Das zeigt aber nur, dass Begriffe ihres eigentlichen Sinnes beraubt und zur Stigmatisierung andersdenkender Menschen und Gruppen verwendet wird.

Autor: Peter Scheller

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