Wie lange noch will die Politik Nebenwirkungen verschweigen?
Am heutigen Donnerstag, 7. April 2022, stimmt der Bundestag über die allgemeine COVID-Impfpflicht ab. Dass die sofort für die gesamte erwachsene Bevölkerung kommt, dafür fand sich zuletzt laut Medienberichten keine Mehrheit (hierfür wären 369 Ja-Stimmen nötig) – zum Bedauern von Kanzler Olaf Scholz und Gesundheitsminister Karl Lauterbach (beide SPD) sowie der meisten Abgeordneten der Grünen. Der Antrag für eine allgemeine Impfpflicht ab 18 Jahre wurde kurzfristig zurückgezogen. Eine sofortige Impfpflicht für ältere Menschen ist hingegen nicht vom Tisch.
Ein Teil der Ampel-Koalition spricht sich für eine Impfpflicht ab 60 aus, federführend für den entsprechenden Gesetzentwurf ist der FDP-Gesundheitspolitiker Andrew Ullmann. Die CDU/CSU-Fraktion setzt sich für ein Impfregister und einen gestuften Impfmechanismus ein. Letzterer sieht auch eine Impfpflicht bei verschärfter Pandemielage vor, jedoch nur für gefährdete Gruppen. Um den FDP-Vize Wolfgang Kubicki haben sich Befürworter für einen Antrag gegen die Impfpflicht und für mehr Impfbereitschaft gebündelt. Prominenten Zuspruch für den FDP-Antrag gibt es von Seiten der Linkspartei-Politiker Sahra Wagenknecht und Gregor Gysi. Die AfD lehnt mit ihrem Antrag die gesetzliche Impfpflicht ab und will die einrichtungsbezogene Impfpflicht zurücknehmen, die seit Mitte März 2022 gilt.
In Berlin versammeln sich am frühen Morgen des 7. April zahlreiche Demonstranten am Brandenburger Tor, um ihre Ablehnung einer allgemeinen Impfpflicht deutlich zu machen. Auch Mitglieder der Partei dieBasis waren vor Ort. „Für freie Impfentscheidung“ – das war eine der Forderungen von dieBasis Hamburg im Wahlkampf. Sie hat für alle Alters- und Berufsgruppen zu gelten. Die jüngsten Enthüllungen zu Impfnebenwirkungen, etwa durch die BKK ProVita und Berliner Charité, dürfen nicht unter den Teppich gekehrt und von der Bundesregierung weiter ignoriert werden. Ein offener Diskurs mit Stimmen aus allen betroffenen Bereichen und Richtungen ist längst überfällig, alles andere ein Systemversagen. Eine Pflicht zu einer Impfung mit derart häufigen Nebenwirkungen ist schlicht indiskutabel – von dem begrenzten Schutz vor Ansteckung, Übertragung und Erkrankung mal ganz abgesehen. Der Deutsche Bundestag muss die allgemeine COVID-Impfpflicht auf Basis des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit ablehnen und die einrichtungsbezogene Impfpflicht umgehend zurücknehmen.
Chronik eines Systemversagens
Der Fall BKK ProVita und die Folgen
6. April 2022: Die WELT (mit Bezahlschranke) interviewte die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats Alena Buyx zur kritischen Stellungnahme von Anfang April. Dass die Stellungnahme als eine überraschende Kehrtwende interpretierbar wäre, wies Buyx darin zurück. Verwundern tut das wiederum wohl kaum, denn über die verborgene Seite der Ethikrat-Chefin schrieb die WELT bereits im Februar 2022. Der Artikel beleuchtete Zweifel an der Unabhängigkeit der Ethikrat-Mitglieder und seiner Chefin.
5. April 2022: Das Ausmaß der Impfnebenwirkungen bleibt unklar, titelte Focus wenige Tage vor der Entscheidung des Bundestags zur Impfpflicht. Erneut geht es um Untererfassung und den Wunsch der Ärzte nach einem niederschwelligen Meldesystem.
4. April 2022: Bislang überwiegend regierungskonform äußerte sich der Deutsche Ethikrat nun in einer 162 Seiten starken Stellungnahme kritisch über Entscheidungen zu COVID-Maßnahmen – besser spät als nie!
1. April 2022: Rückendeckung bezüglich einer Untererfassung beim Paul-Ehrlich-Institut bekommt die BKK ProVita nun sogar von der Berliner Charité. Die führt unter der Leitung von Prof. Dr. Harald Matthes seit zwei Jahren ein sogenanntes ImpfSurv-Register, in dem von circa 10.000 geimpften Personen (einmal bis viermal geimpft oder genesen) Beschwerden systematisch einfließen. Der Focus interviewte Matthes.
22. März 2022: „Impfkomplikationen: Warum sich Betroffene alleingelassen fühlen“ lautet der Titel eines Videoberichts im Öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR), unter anderem ausgestrahlt vom MDR. Im knapp 10 Minuten Beitrag berichtete der ÖRR erstmals detailliert über ein bis dahin vom selbigen totgeschwiegenes Tabuthema.
14. März 2022: Der Informatiker und Datenanalyst Tom Lausen wird als Einzelsachverständiger im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestags zur systematischen Überlastung des Gesundheitssystems und zur Untererfassung von Impfnebenwirkungen befragt (BT-Drucksache 20/958). Kein Gesundheitspolitiker kann behaupten, nichts gewusst zu haben.
3. März 2022: Bei der Tagesschau geht ein handwerklich schwacher und schlicht diffamierender Artikel online, an den ganze drei Autoren und der SWR geschrieben haben. Ein Beispiel: Im Vortext steht „Einer Analyse der BKK ProVita zufolge kommt es angeblich viel häufiger zu Impfnebenwirkungen …„. Wenn man sich auf eine Quelle bezieht (hier: BKK ProVita zufolge), dann braucht es kein „anscheinend“ und erst recht kein „angeblich“. Das Zwiebelfisch-Abc des Spiegels gibt hier gern Nachhilfeunterricht.
1. März 2022: Die „Anwälte für Aufklärung“ (AfA) verfassten unter der Überschrift „Informationsbeschaffung ist eine Holpflicht“ eine Strafanzeige wegen übler Nachrede sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Adressat: Dr. med. Dirk Heinrich. Anhänge: unter anderem ein Sicherheitsbericht des Paul-Ehrlich-Instituts, eine Studie von The Lancet und eine Stellungnahme im Helios Magazin.
1. März 2022: Nach einer mehrstündigen Diskussion am Vormittag, in der Andreas Schöfbeck von der BKK ProVita sich und seinen Warnbrief verteidigte, war seine Entlassung durch den Verwaltungsrat beschlossen, wie unter anderem die ÄrzteZeitung berichtete. In der Folge verschwand auch der Warnbrief von der Seite der BKK ProVita – das Internet vergisst jedoch nicht.
24. Februar 2022: Der VirchowBund – Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands – reagierte prompt mit einer Pressemitteilung. Schon die Überschrift lässt keine Zweifel daran, wie sich der VirchowBund positioniert: „Schwurbel-BKK gibt falschen Alarm bei Impfnebenwirkungen“.
24. Februar 2022: Das Paul-Ehrlich-Institut bezog in einem Fragen-Antworten-Katalog Stellung zum BKK-Schreiben und bewertet die Angaben der Betriebskrankenkasse als „allgemein und unspezifisch“. Kritisiert wird, dass unklar ist, wie viele Fälle der BKK ProVita sich auf leichte und wie viele sich – im Sinne des Arzneimittelgesetzes (AMG) – auf schwerwiegende Reaktionen nach COVID-Impfungen beziehen.
23. Februar 2022: WELT, multipolar und Nordkurier waren die Ersten, die am späten Mittwochabend mit Artikeln über BKK-Analyse berichteten. Teilweise wurden die Artikel nach Erstveröffentlichung leicht überarbeitet und kurze Zeit später wieder veröffentlicht. Die genannten Medien schrieben sachlich über die Faktenlage und gaben die Quellen an.
Untererfassung bei COVID-Impfnebenwirkungen
Ende Februar 2022 äußert eine Krankenkasse Zweifel an den Zahlen des Paul-Ehrlich-Instituts
Einer Analyse von Daten der Betriebskrankenkassen (BKK) vom Februar 2022 zufolge gibt es eine erhebliche Diskrepanz bei den gemeldeten Nebenwirkungen von COVID-Impfstoffen. So ermittelte die BKK ProVita für das Jahr 2021 mindestens zehn Mal (!) mehr Fälle als das Paul-Ehrlich-Institut. Hochgerechnet auf die Bevölkerung in Deutschland sind vermutlich 2,5 bis 3 Millionen Menschen in Deutschland wegen Impfnebenwirkungen nach Corona-Impfung in ärztlicher Behandlung gewesen, kommentierte Andreas Schöfbeck die Analyse in seinem Brief an den Präsidenten des Paul-Ehrlich-Instituts. Der inzwischen gekündigte Krankenkassenbetriebswirt war 21 Jahre Vorstand der BKK ProVita.
Rechnerisch wären das 4 bis 5 Prozent der COVID-Geimpften. Das Paul-Ehrlich-Institut erfasste bisher nur 0,3 Prozent. Den rund 244.600 gemeldeten Fällen an das Paul-Ehrlich-Institut für das ganze Jahr 2021 und für ganz Deutschland stehen knapp 217.000 Fälle der Betriebskrankenkassen gegenüber. Die BKK ProVita hatte für ihre Analyse die anonymisierten Daten aller Betriebskrankenkassen ausgewertet. Die Stichprobe umfasste rund 11 Millionen Versicherte im Zeitraum von 1. Januar bis 15. August 2021. Für die große Lücke zwischen den Zahlen des Instituts und des Versicherers lieferte Schöfbeck ebenfalls eine Erklärung. Demnach beanspruche eine einzelne Meldung bis zu 30 Minuten. Bei bis zu 3 Millionen Verdachtsfällen wären 1,5 Millionen Arbeitsstunden von Ärzten nötig. Um alle Fälle zu erfassen, wären 1.000 Mediziner ein Jahr lang mit nichts Anderem beschäftigt. Dazu kommt, dass die Meldungen anders als die Impfungen nicht honoriert werden.