Zehn Fragen zum Volksentscheid in Hamburg

(1) Gibt es Volksentscheide in Hamburg?

Grundsätzlich lässt Artikel 50 Absatz 1 der Hamburger Verfassung eine Volksgesetzgebung zu. Danach kann das Volk den Erlass, die Änderung oder die Aufhebung eines Gesetzes oder eine Befassung mit bestimmten Gegenständen der politischen Willensbildung (andere Vorlage) beantragen.

(2) Was versteht die Hamburger Verfassung unter dem Begriff „Volk“?

An einer Volksinitiative können alle zur Bürgerschaft Wahlberechtigten teilnehmen. Wahlberechtigt sind alle Personen, die deutsche Staatsbürger sind, das 16. Lebensjahr vollendet haben und seit mindestens drei Monaten in Hamburg wohnen und nicht durch einen Richterspruch vom Wahlrecht ausgeschlossen sind.
Auch Menschen mit doppelter Staatsangehörigkeit sind wahlberechtigt, wenn sie die anderen Voraussetzungen erfüllen.

(3) Wer darf nicht mitstimmen?

Grundsätzlich dürfen alle Menschen, die das 16. Lebensjahr nicht vollendet haben, nicht mitstimmen. Ausgeschlossen sind auch alle Menschen, die keine deutschen Staatsbürger sind.

Zum 31.12.2023 weist die Einwohnerstatistik 407.410 Ausländer als in Hamburg ansässig aus. Das bedeutet, dass ohne Berücksichtigung der unter Sechzehnjährigen rund 20% der erwachsenen Bevölkerung nicht wahlberechtigt sind und somit nicht an Volksentscheiden teilnehmen dürfen. Kriterien wie die Ansässigkeit seit der Geburt in Hamburg oder eine direkte Betroffenheit durch einen Volksentscheid sind unerheblich.

(4) Worüber gibt es keine Volksinitiativen?

Bundesratsinitiativen, Haushaltspläne, Abgaben, Tarife der öffentlichen Unternehmen sowie Dienst- und Versorgungsbezüge können nicht Gegenstand einer Volksinitiative sein.

Damit sind alle Dinge, die die Finanzen Hamburgs betreffen, der Volksgesetzgebung entzogen.

(5) Wie kommt eine Volksinitiative zustande?

Eine Volksinitiative kommt zustande, wenn mindestens 10 000 zur Bürgerschaft Wahlberechtigte den Gesetzentwurf oder die andere Vorlage unterstützen. Die Bürgerschaft kann innerhalb von vier Monaten das beantragte Gesetz verabschieden oder einen Beschluss über die Vorlage treffen. Geschieht das nicht, kann die Initiative ein Volksbegehren beantragen.

(6) Wie kommt es zu einem Volksbegehren?

Die Initiatoren sind berechtigt, Unterschriften auf eigenen Listen zu sammeln.

Das Volksbegehren ist zustande gekommen, wenn es von mindestens 5% der Wahlberechtigten unterstützt wird. Erforderlich sind momentan in Hamburg knapp unter 66.000 Unterschriften.
Die Eintragungsfrist beginnt vier Monate nach Antragstellung und beträgt drei Wochen.

(7) Wann findet ein Volksentscheid statt?

Der Volksentscheid findet am Tag der Wahl zur Bürgerschaft oder zum Deutschen Bundestag statt. Auf Antrag der Initiative kann der Volksentscheid über einfache Gesetze und andere Vorlagen auch an einem anderen Tag stattfinden.

(8) Welche Wirkung hat der Volksentscheid?

Der Volksentscheid bindet den Senat und die Bürgerschaft.

Die Bürgerschaft kann ein vom Volk beschlossenes Gesetz jedoch aufheben oder ändern. Das durch die Bürgerschaft beschlossene Änderungsgesetz tritt innerhalb von drei Monaten nicht in Kraft. Innerhalb dieser drei Monate können 2,5 % der Wahlberechtigten (momentan in Hamburg knapp unter 33.000 Unterschriften) einen Volksentscheid über das Änderungsgesetz verlangen.

Kann man in der dritten Runde der Unterschriftensammlung die 33.000 Unterschriften nicht sammeln, „überschreibt“ das von der Bürgerschaft beschlossene Änderungsgesetz das ursprünglich vom Volk beschlossene Gesetz.

(9) Was ist der Unterschied zwischen einem Volksentscheid und einem Referendum?

Der „steinige Weg“ von Volksinitiative, Volksbegehren bis hin zum Volksentscheid ist beschrieben.

Die Bürgerschaft kann auf Vorschlag des Senats oder mit dessen Zustimmung einen Gesetzentwurf oder eine andere Vorlage erstellen (Bürgerschaftsreferendum). Beschlüsse der Bürgerschaft bedürfen einer Mehrheit von zwei Drittel der gesetzlichen Mitgliederzahl.

Das wohl bekannteste Bürgerschaftsreferendum war ein Volksentscheid über die Bewerbung zur Ausrichtung der Olympischen Sommerspiele 2024 in Hamburg.

(10) Gibt es Volksentscheide auf Bundesebene?

Diese sind nicht vorgesehen. Einzige Ausnahmen sind die Neugliederung des Bundesgebiets und die Ablösung des Grundgesetzes durch eine Verfassung.

Autor: Peter Scheller

2 Kommentare

  1. Danke für die Auflistung der Hintergründe, gut erklärt. Gibt es auch einen Artikel „Vergleich mit dem Schweizer Modell“? Welche Änderungen sollten wir ggf per Volksbegehren anstoßen?

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