Nina Maleika ist Musikerin und engagiert sich für dieBasis Hamburg. Im öffentlich geführten „Wandzeitungs-Streit“ hat sich dieBasis mit einem Offenen Brief hinter die Hamburger Clubs „Große Freiheit 36“ und „Docks“ gestellt, als sie kritische Äußerungen zu den Corona-Maßnahmen an ihren Außenwänden veröffentlicht haben und dafür vom Hamburger Clubkombinat und von Konzert-Agenturen öffentlich angegriffen wurden.
Inzwischen hat die Große Freiheit 36 eine Neuauflage ihrer Wandzeitung gestaltet.
Wir sind in der Großen Freiheit 36, einem der größten Musikclubs auf dem Hamburger Kiez. Soeben wurde die Neuauflage der Wandzeitung präsentiert, die sich kritisch mit dem Thema Corona und den dazu getroffenen Maßnahmen auseinandersetzt. Wie stehst du dazu?
Ich finde das super und verstehe das Tohuwabohu nicht, was darum gemacht wird. Wir sehen hier Sätze wie „Freiheit ist ein Menschenrecht“. Hier kommen Politologen und Sozialwissenschaftler zu Wort. Ich finde es toll, dass sich Karl-Hermann Günther (Geschäftsführer der Großen Freiheit) das traut. Was daraus aus den Medien gemacht wird, entbehrt für mich jeglicher Logik. Rechtes Framing und Große Freiheit geht gar nicht zusammen, etwa wenn man schaut, welche multikulturellen Künstler hier auftreten oder wie sich der Club während der „Flüchtlingskrise“ engagiert hat.
Wir haben in Deutschland viele Leute, die über den Tellerrand gucken und diese Debatte kritischer führen möchten. Diese Aktualisierung, auch mit Aussagen von Menschen, die aus der philosophischen Richtung kommen, ist sehr vielseitig.
Sind die Inhalte für dich jetzt besser geworden?
Ich fand die vorher auch gut und stehe voll hinter den Inhalten. Angegriffen wurde z.B. der Satz „Bewaffnet euch mit Wissen“. Ein allgemeingültiger Satz, der beispielsweise im Cartoon SpongeBob auftaucht. So etwas soll rechtes Gedankengut darstellen? Das ist doch der absolute Wahnsinn!
Was meinst du, eröffnet das hier den gewünschten Debattenraum?
Ich habe schon die Hoffnung, dass Menschen neugierig werden und sich anschauen, was hier auf der Wand steht und ins Gespräch kommen. Vielleicht auch die Quellen recherchieren, welche die Argumente entkräften, hier wären rechte Einflüsse zu sehen. Wir müssen in den Dialog kommen. Die Große Freiheit streckt die Hände aus, hoffentlich nutzt die Gegenseite die Möglichkeit, diese zu ergreifen. Sonst nimmt die Spaltung doch nur weiter zu.
Wie könnte das rein praktisch aussehen?
Wir sind hier auf St. Pauli, einem Stadtteil, der immer für seine Vielfalt der Menschen und Milieus bekannt war. Wie wäre es mit einem Stammtisch einmal die Woche für Bürger die miteinander diskutieren wollen? Vielleicht macht man vorher eine kleine Führung durch die Inhalte der Wandzeitung. So entsteht Gesellschaft.
Wie hast du als Künstlerin das letzte Jahr erlebt, in deinem Beruf und auch privat?
Beruflich war es für mich sehr schwer, denn alles, was ich sonst so gemacht habe, mit Auftritt und Bühne oder auch mal vor der Kamera, auch meine Tätigkeit als Dozentin/Musikpädagogin – das lag alles brach. Schlimmer war für mich aber, den Zerfall der deutschen Gesellschaft zu erleben. Für mich ist das mittlerweile ein Glaubenskrieg, der hier stattfindet. Das hätte ich mir so in meinen schlimmsten Albträumen nicht ausmalen können. Ich hoffe, dass wir langsam dem Ende dieser Krise entgegen gehen. Ich glaube allerdings, dass wir mit den Folgen noch ganz lange zu kämpfen haben. Die Presse hat hier eine verheerende Rolle gespielt, denn die Spaltung wurde von ihr medial mit aller Macht vorangetrieben. Auch die Social Media Netzwerke haben eine große Rolle gespielt. Das ist ein regelrechter Klassenkampf, Geimpfte sollen mehr Rechte bekommen als Ungeimpfte – das geht immer weiter. Und schlimm ist, dass anscheinend die Mehrheit der deutschen Bevölkerung so etwas zulässt.
Möchtest du in einer solchen Gesellschaft leben?
Das habe ich mir noch nicht klar beantwortet. Es ist ja noch nicht vorbei, sondern ist möglicherweise erst der Anfang.
Du hast familiäre Wurzeln in Ägypten. Wie siehst du das? Ist diese Entwicklung typisch deutsch?
Nein, wir konnten Ähnliches ja auch in anderen Ländern beobachten. Was ich hier allerdings wahrnehme, ist die extrem starke Neigung zur Separation, gar zu Hass und einer groß angelegten medialen Hetzkampagne. Eine ähnliche Situation hatten wir in der sogenannten „Flüchtlingskrise“. Da waren auf einmal zwei Lager. Die einen wollten die Türen öffnen, die anderen wollten am liebsten alle Ausländer wieder rauswerfen. Die Frage ist: Ist das in unserer Gesellschaft so tief verankert oder wird es von den Medien geschürt? Man bekommt das Gefühl: Es braucht immer ein Feindbild. Damals waren es die Menschen aus dem Ausland, jetzt haben wir das Virus, das ist unsichtbar und macht schon allein dadurch noch mehr Angst.
Ich bin 2020 viel gereist, habe andere Kulturen, andere Völker erlebt. Da war das Virus auch und alle hatten damit zu tun, was aber fehlte, war diese Hetze, dieser Kult, diese kollektive Psychose. Daran sind aber hier, wie gesagt, die Medien und auch die Regierung maßgeblich beteiligt gewesen.
Was müsste auf der medialen Seite passieren, damit diese angeknackste gesellschaftliche Atmosphäre wieder heilen kann?
Wir bräuchten an verantwortlichen Positionen Menschen, die sich dem humanistischen Gedankengut verpflichtet fühlen und die nicht permanent Angst schüren. Wenn man feststellt: Da ist ein Virus und man muss die Bevölkerung schützen, dann wäre ein ruhiges, souveränes Auftreten sinnvoll gewesen, um den Menschen Sicherheit zu geben. Stattdessen wurde Angst geschürt, es wurde gehetzt, gespalten, manipuliert. Die staatliche Kampagne wurde im Auftrag der Regierung von einer der größten Werbeagenturen initiiert „Stay at home – save lifes“. Mit solchen Kampagnen bewirkt man eine tiefe Spaltung in der Gesellschaft. Es ist doch klar, dass es Menschen gibt, die solche Forderungen ablehnen.
Kannst du als Künstlerin überhaupt noch arbeiten, hast du Projekte für die Zukunft?
Ich habe es gut getroffen, habe ein Netzwerk von kritischen Geistern, die sehr kreativ mit der Krise umgegangen sind. Wir haben ja ein von der Bundesregierung verhängtes Auftrittsverbot. Trotzdem haben wir Vieles realisieren können. Ich bin demnächst in einem tollen Erasmusprojekt als Sängerin/Songwriterin mit vielen Künstlern in Portugal.
Ich selbst habe noch zu tun, aber die Mehrzahl meiner Kollegen ist arbeitslos, sie leben von Harz IV oder Gelegenheitsjobs. Die Bundesregierung hat faktisch für die Kulturbranche keine Ideen, keine wirklichen Alternativen. Manche haben diese staatlichen Almosen bekommen, die lächerlich sind im Vergleich zu dem, was sie hätten verdienen können. Davon kann man nicht leben. Seit mehr als einem Jahr haben wir diese „Pandemie“. Wie kann es sein, dass diese Regierung nicht fähig ist, der Kultur sinnvoll zu helfen?
Gerade für Künstler ist der Beruf ja meist der wichtigste Lebensinhalt. Was passiert, wenn der über lange Zeit verloren geht.
Leider gibt es in meinem nahen Umfeld Menschen, die den Suizid als letzten Ausweg gesehen haben. Die offiziellen Suizidraten belegen diese Entwicklung. Viele Menschen können mit diesen Maßnahmen mental nicht umgehen. Jenseits dieses letzten Auswegs ist es doch so, dass unsere Gesellschaft leidet. Depressionen, Stress in den Familien, häusliche Gewalt, vereinsamte Kinder. Ich habe in einem Kurs einen Achtjährigen, der hat gesagt, er möchte nicht mehr leben. Das sind keine Einzelfälle, das sind auch keine sogenannten Kollateralschäden: unsere Gesellschaft geht gerade vor die Hunde – aufgrund einer sogenannten Pandemie, die sich nach der Definition des RKI und aufgrund der dort veröffentlichten Zahlen gar nicht so hätte nennen dürfen.
Wie hat sich deine Einstellung zu Deutschland gewandelt?
Ich bin ziemlich durch mit diesem Land. Ich bin traurig, enttäuscht und ich weiß nicht, ob ich nächstes Jahr hier noch lebe. Ich finde Deutschland ist gesellschaftlich nicht gut mit der Situation umgegangen. Ich hätte mir mehr echten Zusammenhalt gewünscht. In Ägypten zum Beispiel ist man ganz anders damit umgegangen, dort hat man sich nicht entzweien lassen. Einer arabischen Großfamilie kann man nicht sagen, sie sollen keinen Kontakt zu ihren Alten haben und die wegsperren. Dass die Menschen das hier mit sich haben machen lassen, nehme ich ihnen sehr übel. Meinen Lebensmittelpunkt möchte ich hier nicht mehr haben.
Was können wir, jeder einzelne, tun, um wieder aufeinander zuzugehen?
Wir müssen wieder auf menschlicher Ebene ins Gespräch kommen, uns fragen „Wie war das für dich, wie bist du mit der Situation umgegangen? Wir alle wünschen uns doch, dass diese Situation ein Ende findet. Weg von den Zahlen, weg von Corona und der Frage, wie du dazu stehst. Wir müssen das menschliche Miteinander wieder kultivieren. Nicht mehr einordnen, rechts oder links, Christ oder Jude, sondern „Wer bist du denn als Mensch“? Auf dieser Ebene finden wir vielleicht wieder den Zugang zueinander. Aber es wird nicht einfach, diesen Argwohn wieder aus den Menschen herauszubekommen. Dafür brauchen wir Menschen, die kreativ sind, etwas bewegen wollen und sich Gedanken um alternative Lebensformen machen.
Text Irene Wagner
Foto privat